Algen als winzige Wasserstofffabriken im Visier
Ruhr-Universität Bochum
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Bringt man Wasserstoff und Sauerstoff zusammen, wird Energie freigesetzt. Doch dem Wasserstoff als Energieträger der Zukunft steht bisher noch seine aufwendige Herstellung entgegen. Die umgekehrte Knallgas-Reaktion, also die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, benötigt mindestens so viel Energie wie später durch das Verbrennen des Wasserstoffs wieder herausspringt. Wird sie mit fossilen Brennstoffen erzeugt, wird zudem noch klimarelevantes Kohlendioxid freigesetzt. Eine Verlustrechnung.
Wasser mit Hilfe der Sonne aufspalten
Ein Weg, diesem Dilemma aus dem Weg zu gehen, ist die Aufspaltung des Wassers mit Hilfe der Sonne. Einige Wissenschaftler träumen von riesigen Wasserstoffproduktionsanlagen in der Sahara. Doch die politische Instabilität der Sahelzone und die aufwendige Wartung der Anlagen machen die Idee derzeit noch zur Fata Morgana. Mehr als eine Vision ist es im Augenblick auch noch nicht, was deutsche Wissenschaftler in Sachen Wasserstoffherstellung vorhaben. Aber vielleicht wird sie schneller Realität. Die Forscher wollen eine Zelle dazu bringen, Wasser mit Hilfe des Sonnenlichts in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Doch es gibt ein Problem: In der Natur kommt kein Organismus vor, der Wasserstoff in größeren Mengen herstellt.
Kombination aus Grünalgen und Cyanobakterien
Grünalgen können es im Prinzip, aber nur, wenn sie in großer Not sind. Die Einzeller betreiben normalerweise Photosynthese und wandeln dabei mit Hilfe des Sonnenlichts Kohlendioxid in Sauerstoff und energiereiche Kohlenhydrate um. Zwar besitzen sie auch ein Enzym, mit dem sie Wasserstoff herstellen können, die sogenannte Hydrogenase. Freiwillig allerdings kommt es nicht zum Einsatz. Man muss die Alge dazu zwingen, indem man sie zum Beispiel in ein Schwefelbad taucht. Die Alge schaltet daraufhin ihren Stoffwechsel auf Sparflamme, ein Teil der Photosynthese läuft aber ganz normal weiter und erzeugt große Mengen energiereicher Verbindungen.
Diese können die Algen im Sparmodus aber gar nicht verwerten. Sie „entsorgen" schließlich die überschüssige Energie in Form von Wasserstoff. Auf diese Weise kann ein Kubikmeter Grünalgen unter idealen Bedingungen etwa 15.000 Liter Wasserstoff pro Jahr erzeugen. Für eine industrielle Nutzung zu wenig. Um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, benutzen die Wissenschaftler deshalb Blaulagen, sogenannte Cyanobakterien. Die allerdings besitzen keine leistungsfähige Hydrogenase. Deshalb "importieren" die Wissenschaftler das Enzym aus Grünalgen - und optimieren es mit Hilfe gentechnischner Verfahren gleichzeitig so, dass es auch in Gegenwart von Sauerstoff voll funktionsfähig bleibt.
Fermenter müssen billiger werden
Bei direkter Anbindung an den Prozess der photobiologischen Wasserspaltung sollen auf diese Weise Wasserstoffproduktionsraten erzielt werden, die mindestens einen Faktor 100 über den höchsten Raten liegen, die sich zurzeit mit photosynthetischen Organismen erzielen lassen. Doch das alleine würde noch nicht genügen, die biotechnologische Wasserstoffherstellung wirtschaftlich konkurrenzfähig werden zu lassen. Günstig wird der Bio-Wasserstoff nach Berechnungen von Forschern der Ruhr-Universität in Bochum erst, wenn die Anlagen, in denen die Algen gezüchtet werden, zehnmal billiger werden. Einige Firmen arbeiten mit den Forschern zusammen schon an einer neuen, günstigeren Generation von Fermentern.
Vielleicht ist bis dahin auch die dafür notwendige "Design"-Zelle fertig. Doch ist das Tuning der Zelle für die Wasserstoffproduktion kompliziert. An vielen Stellen des Energiestoffwechsels müssen die Weichen neu gestellt werden. Mit den gentechnischen Neujustierungen wollen die Forscher schließlich erreichen, dass die Blaualgenzelle über 75 Prozent der verfügbaren Energie für die Erzeugung von Wasserstoff verwendet und nicht mehr so viel in neue Biomasse steckt: Die Cyanobakterienzelle wird praktisch zum lebenden Katalysator umfunktioniert, der sich durch Teilung stetig vermehrt und außer Wasser, Nährsalzen und Sonnenenergie keine weiteren Ansprüche hat.
4,3 Millionen Euro für acht Forschergruppen
Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Einen Weg, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung in den nächsten drei Jahren mit 4,3 Millionen Euro unterstützt. Damit werden acht Arbeitsgruppen geördert, sie bilden zusammen das deutschlandweit größte Verbundprojekt zur Biowasserstoffproduktion. Unter der Leitung von Matthias Rögner (Fakultät für Biologie und Biotechnologie der RUB) arbeiten bei dem Vorhaben "Design natürlicher Systeme zur lichtgetriebenen Wasserstoffproduktion" Biochemiker und Chemiker, Biophysiker und Physikochemiker, Mikrobiologen und Verfahrenstechniker aus Bochum, Berlin, Bielefeld, Köln und Mülheim interdiszplinär zusammen.
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