Forschen an den Grenzen

27.05.2013 - Deutschland

Marburger Physiker und Chemiker untersuchen in einem neuen Forschungsverbund die „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“. So lautet der Titel eines Sonderforschungsbereiches (SFB), dessen Einrichtung die „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ (DFG) soeben beschlossen hat. Der Physiker Professor Dr. Ulrich Höfer von der Philipps-Universität ist Initiator und Sprecher des Konsortiums, das in den kommenden vier Jahren von der DFG mit 8,7 Millionen Euro gefördert wird.

Pressestelle der Philipps-Universität/Markus Farnung

SFB-Sprecher Professor Dr. Ulrich Höfer (rechts) inspiziert einen experimentellen Aufbau zur Laserspektroskopie von Siliziumgrenzflächen, zusammen mit seiner Stellvertreterin Professorin Dr. Kerstin Volz und dem Uni-Vizepräsidenten Professor Dr. Ulrich Koert, der als Chemiker an dem Verbund beteiligt ist. „Als Vizepräsident für Forschung freue ich mich über den Erfolg der Marburg Naturwissenschaften, als beteiligter Chemiker über die guten Möglichkeiten zur Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit mit den Physikern“, sagte Koert anlässlich der DFG-Entscheidung.

„Die langjährigen Vorarbeiten unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfahren mit der Förderung eine höchst verdiente Anerkennung“, sagt Professorin Dr. Katharina Krause, die Präsidentin der Philipps-Universität. „Die Hochschulleitung ist hoch erfreut, dass sich die Investitionen in die Materialwissenschaften und Halbleiterphysik auf diese Weise auszahlen, und dankt den Beteiligten für ihr herausragendes Engagement.

Grenzflächen sind Kontaktstellen zwischen verschiedenen Materialien. Sie haben große Bedeutung bei miniaturisierten Halbleitern, wie sie etwa in elektronischen Schaltkreisen vorkommen. Diese Halbleiter sind aus mehreren Lagen verschiedener Elemente aufgebaut, ähnlich wie ein Schichtkuchen. „Die Grenzflächen zwischen den unterschiedlichen Materialien bestimmen entscheidend, welche opti¬schen und elektronischen Eigenschaften solche Halbleiterbauelemente aufweisen“, erläutert Höfer.

Die Bedeutung innerer Grenzflächen werde weiter zunehmen, wenn Verbund-materialien die Eigenschaften von Metallen, klassischen Halbleitern und organischen Materialien verknüpfen, sagt Höfer voraus. Beispiele für derartige Verbundmaterialien sind neuartige Solarzellen und Biosensoren. „Aber unser mikroskopisches Verständnis der Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen hinkt deren enormer Bedeutung weit hinterher.“ Hauptursache für diese Wissenslücke sei die experimentelle Schwierigkeit, die schwachen Spuren der Grenzfläche zu detektieren, die oftmals unter mehreren Lagen anderer Materialien vergraben ist.

Die Initiatoren des neuen Sonderforschungsbereichs verfolgen das Ziel, diese Lücke zu schließen, indem Fachgebiete wie Halbleiterphysik, Oberflächen-physik und -chemie, chemische Synthese, Strukturanalyse und Laserspektro-skopie zusammenarbeiten. Der Standort Marburg bietet dafür nach Meinung der DFG-Gutachter ein ideales Umfeld, weil hier das weltweit herausragende Knowhow auf diesen Forschungsfeldern gebündelt sei. Die Liste der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler umfasst 15 Arbeitsgruppen der Fachbereiche Physik und Chemie der Philipps-Universität, des Zentrums für Materialwissenschaften sowie ein Gastprojekt der Forschungseinrichtung „Donostia International Physics Center“ in San Sebastián, Spanien.

Im Vordergrund der Untersuchungen stehen zunächst keine konkreten Funktionsmaterialien, da diese in der Regel über viele Grenzflächen verfügen, die oftmals nicht gut definiert sind. Statt dessen ist geplant, eigens entwickelte Modellsysteme mit speziell präparierten inneren Grenzflächen unter die Lupe zu nehmen, um sie auf der atomaren Skala strukturell zu charakterisieren und ihre optischen und elektronischen Eigenschaften systematisch zu studieren.

Damit will man für unterschiedliche Klassen von Grenzflächen erreichen, dass chemische Bindungsverhältnisse, elektronische Kopplung und Energietransfer mikroskopisch genau bekannt und vorhersagbar sind. „Mittel- und langfristig soll dieses Wissen dazu genutzt werden, Grenzflächen für neue Anwendungen maßzuschneidern, um Materialien und Bauelemente mit neuartigen Eigenschaften und Funktionalitäten herstellen zu können“, führt Höfer aus.

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