UV-Licht-Sensoren aus dem Backofen

Kieler Forschende revolutionieren Herstellungsverfahren von Nanostrukturen

22.11.2013 - Deutschland

In Brandmeldern und Wasseraufbereitern verrichten sie ihren lebensrettenden Auftrag, und die Nachfrage nach ihnen steigt in vielen Bereichen wie Umwelt oder Industrie stetig an: UV-Licht-Sensoren. Wissenschaftlern der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist es nun gelungen, innerhalb weniger Sekunden Nanostrukturen zu „backen“, um damit ultraschnelle Sensoren herzustellen. Das neue Verfahren verzichtet völlig auf teure Geräte und giftige Chemikalien und ist insbesondere für Unternehmen hochinteressant. Die Forschenden veröffentlichten ihre Arbeit online in der Fachzeitschrift „Advanced Materials“.

Schimmelpfennig/CAU

Schneelandschaft im Ofen: Das neue Herstellungsverfahren von Zinkoxid-Nanostrukturen der Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnte die Produktion von UV-Sensoren revolutionieren.

Mishra/Advanced Materials

Mikroskopaufnahme der Zinkoxid-Nanostrukturen, die zwei Kontakte verbinden (von oben nach unten).

Schimmelpfennig/CAU
Mishra/Advanced Materials

Eine der größten Herausforderungen beim Bau eines Sensors mit Nanostrukturen sei es, die kleinen elektrischen Kontakte auf den Chips über extrem winzige Strukturen zu verbinden, die gut auf ultraviolettes Licht reagieren, sagt Dawit Gedamu, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kieler Arbeitsgruppe „Funktionale Nanomaterialien“. Die meisten der bisher angewendeten Herstellungsmethoden solcher Strukturen wie die chemische Gasphasenabscheidung oder die Dampf-Flüssigkeits-Feststoff-Methode (VLS) funktionieren nur unter speziellen Bedingungen. Katalytische Teilchen, besondere Substrate, komplexe Temperatur- sowie Atmosphärenerfordernisse und viele andere Faktoren spielen hierbei eine Rolle. Darüber hinaus ist ein weiterer aufwändiger Schritt nötig, um die erzeugten Nanopartikel in einen Chip einzufügen. Hinzu kommt, dass es bei den verwendeten Halbleitern, unter anderen Silicium und Galliumnitrid, an Lichtempfindlichkeit hapert, und solche Sensoren in rauen Umgebungen nicht reagieren. Viele Nachteile also, die ihre Einsatzmöglichkeiten stark einschränken.

„Äußerst vielversprechend“ für verschiedene Anwendungen hingegen seien Sensoren, die auf Zinkoxid basieren, sagt Dr. Yogendra Kumar Mishra, Hauptautor der Studie. „Zinkoxid-Nanostrukturen sind wegen ihrer UV-Lichtempfindlichkeit und ihren elektrischen und mechanischen Eigenschaften sehr interessant für multifunktionale Anwendungen“, so Mishra. Außerdem ist das Material vergleichsweise günstig und die Partikel einfach herzustellen. Zink als Mineralstoff ist sogar lebenswichtig für den menschlichen Organismus, was die Nano-Mikrostrukturen auch für die Biomedizintechnik interessant macht.

Die Forschenden verbanden also die Elektroden auf einem Chip über zusammenhängende vierarmige Zinkoxid-Kristalle,ein Netzwerk, tausend Mal dünner als ein menschliches Haar. Diese Nano-Tetrapoden, deren Arme sich gegenseitig durchdringen, stellten sie in einem einfachen Brennofen her mittels einer neuen und so genannten Flammentransport-Synthese.. Lediglich hohe Temperaturen unter normalen Bedingungen braucht es, um aus den Zink-Mikropartikeln Nano-Mikrotetrapoden zu erhalten. Der Chip wird dann nur kurz über die Flamme gehalten: „Die Methode erlaubt uns auf diese Weise sogar, die winzigen Zinkoxid-Netzwerke direkt auf einem Chip wachsen zu lassen – und das in Sekundenschnelle!“, berichtet Mishra. Die hohen Temperaturen sorgten dabei für eine dichte Verbindung zwischen den elektrischen Kontakten und den Nanostrukturen, die die Leistung des Sensors erheblich verbessert.

Das Ergebnis: Der von den Kielern in einem Schritt hergestellte Sensor reagierte innerhalb von Millisekunden auf die Bestrahlung mit ultraviolettem Licht. Darüber hinaus funktioniert er auch in eher rauen Umgebungen. Die einfachen und günstigen Produktionsbedingungen sowie die Verwendung von puren Zink-Mikropartikeln machen die neue Herstellungsmethode aus den Laboren der schleswig-holsteinischen Landesuniversität hochattraktiv für die Industrie. „Es gab schon erste Nachfragen von Unternehmen aus Schleswig-Holstein. Unsere Grundlagenforschung erzielt also Ergebnisse, die über einen innovativen Technologietransfer in konkrete Anwendungen überführt werden können“, erklärt Professor Rainer Adelung, Leiter der Forschungsgruppe. Einer der nächsten Schritte der beteiligten Materialwissenschaftler ist es deshalb, die Nano-Tetrapoden in größerem Stil produzieren zu können.

Kurios bei diesem Erfolg: Die Zinkoxid-Nanostrukturen starteten ihre Karriere als Abfallprodukt bei Experimenten mit der herkömmlichen VLS-Methode. Eines Tages untersuchte Yogendra Mishra die Kristalle, die aussehen wie künstlicher Schnee, unter dem Mikroskop: „Ihre besondere Struktur der sich gegenseitig durchdringenden Arme und ihre Eigenschaften als Lichtdetektoren ließen gleich auf das enorme Anwendungspotenzial schließen“, sagt der Wissenschaftler, der als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung in den folgenden Jahren die Methode entwickelte. Denn um die Nano-Tetrapoden kontrolliert herstellen zu können, musste zunächst das richtige Rezept von Temperatur, Mischungsverhältnis von Zinkpartikel und Polymermatrix und anderen Parametern herausgefunden werden.

Nanowissenschaften sind an der Universität Kiel stark vertreten. So wurden Mishras Arbeiten erst durch die Unterstützung zweier großer Sonderforschungsbereiche (SFB) möglich. Fast 200 Wissenschaftler tüfteln dort zum einen an Molekülen, die sich durch Licht an- und ausschalten lassen, um bestimmte Funktionen erfüllen zu können (SFB 677 „Funktion durch Schalten“). Zum anderen forschen sie an neuen Materialien für Sensoren, die kleinste Magnetfelder im menschlichen Körper messen können sollen (SFB 855 „Magnetoelektrische Verbundwerkstoffe – biomagnetische Schnittstelle der Zukunft“). Gefördert werden sie dabei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Originalveröffentlichung

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