Eisen, Cadmium, Blei & Co. – neuer 3D-Atlas macht Spurenmetalle im Ozean sichtbar
Reiner Schlitzer, Alfred-Wegener-Institut
Reiner Schlitzer, Alfred-Wegener-Institut
Reiner Schlitzer, Alfred-Wegener-Institut
„Wir finden beim Blei aber nicht nur Spuren vergangener Umweltverschmutzung, wir können ebenfalls sehen, dass umweltpolitische Gegenmaßnahmen Wirkung zeigen“, sagt Dr. Reiner Schlitzer vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, der den dreidimensionalen Atlas entwickelt hat. Denn die gleiche Abbildung des Atlantiks offenbart, dass Wasserschichten oberhalb 500 Metern wesentlich geringere Bleikonzentrationen enthalten. Sie traten erst nach Verbot bleihaltigen Benzins an die Oberfläche des Ozeans und haben sich mit den tiefer liegenden Wasserschichten noch nicht vermischt.
„Insgesamt sprechen wir hier von sehr geringen Konzentrationen in einer Größenordnung von etwa einem Teil Blei auf tausend Milliarden Teile Wasser“, erläutert Reiner Schlitzer, warum die im Atlantik gemessenen Bleikonzentrationen keine unmittelbare Umweltgefährdung darstellen. Die geringen Nachweismengen verdeutlichen aber auch den enormen analytischen Aufwand, der für ein solches Projekt erforderlich ist und nur in einem großen Forschungsverbund realisiert werden kann.
„Weltweit gibt es nur wenige, hoch spezialisierte Labore, die einzelne Spurenstoffe in derart geringen Konzentrationen zuverlässig messen können“, so Schlitzer. Und ergänzt: „Es sind nicht nur sehr anspruchsvolle, sondern auch sehr viele Analysen nötig, um einen solchen Atlas der Weltmeere erstellen zu können. Bisher wurden mehr als fünfundzwanzigtausend Wasserproben unterschiedlicher Tiefe von etwa achthundert Messstationen auf über 200 Stoffe untersucht. Fünfzehn Schiffsexpeditionen waren erforderlich, um die bis jetzt eingearbeiteten Daten zu erheben. Weitere werden folgen. In Deutschland sind außer dem Alfred-Wegener-Institut noch das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, das Institut für Chemie und Biologie des Meeres an der Universität Oldenburg und das Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie an dem Projekt beteiligt.
Welchen wissenschaftlichen Schatz die Forscher dabei in einprägsamen Visualisierungen aus der Tiefe des Ozeans auf den Bildschirm befördert und sichtbar gemacht haben, zeigt auch das Beispiel „Eisen“. Im Ozean ist Eisen häufig ein Mangelelement. Staubeinträge von Land gelten bisher als dominierende Quelle des wichtigen Mikronährstoffes für Algen, der im Ökosystem „Meer“ deshalb von großer Bedeutung ist. Ein Blick auf den digitalen Atlas aber zeigt, dass auch im Umfeld von Seebergen auf dem Mittelatlantischen Rücken oder am Kontinentalschelf Westafrikas viel Eisen in den Ozean eingetragen wird. Die relativ hohen Cadmium-Konzentrationen wiederum, die sich in einem auffälligen Band entlang der südamerikanischen Atlantikküste ziehen, deuten nicht etwa auf einen erhöhten Umweltfrevel angrenzender Länder hin. Das Schwermetall spiegelt hier die Ausbreitungsmuster verschiedener Meeresströmungen wider.
Solche Zusammenhänge für alle Weltmeere auf einen Blick erkennbar zu machen, ist das Ziel des neuen elektronischen Atlas, der seit kurzem für jeden im Internet verfügbar ist. Und nicht nur das. „Durch regelmäßige Vergleiche werden wir künftig auf einfache Art erkennen können, wie der Klimawandel oder auch menschliche Emissionen die Verteilung von Nähr-, Schad- und anderen Spurenstoffen im Ozean verändert“, resümiert Reiner Schlitzer und blickt auf langsam rotierende 3D-Animationen von Eisen-, Blei- und Mangan-Konzentrationen im Arktischen Ozean. Vorausgesetzt natürlich, dass hunderte Forscherkollegen in aller Welt den neuen Atlas auch weiterhin kontinuierlich mit Daten füttern.