Autobahnen und Trampelpfade für Moleküle

05.09.2014 - Deutschland

Die Welt würde stillstehen ohne Zeolithe. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Herstellung von Benzin, sorgen im Waschpulver für die Entkalkung des Wassers, trocknen das Geschirr in Spülmaschinen und werden für die Produktion von reinem Sauerstoff gebraucht. Forschern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ist es jetzt gelungen, neuartige schichtförmig aufgebaute Zeolithe herzustellen, mit deren Hilfe chemische Prozesse künftig schneller, billiger und umweltschonender ablaufen können.

Zeolithe sind Silikate mit einer festen, aber porösen Gerüststruktur. Diese Minerale kommen in unterschiedlichen Ausprägungen nahezu überall in der Erdkruste vor. Seit Anfang der 1950er Jahre werden sie auch in großem Maßstab künstlich hergestellt. Chemiker nutzen die speziellen Eigenschaften der Zeolithe auf verschiedene Weise. Die engen Poren der Kristalle, mit einem Durchmesser von weniger als einem Nanometer, dienen in vielen chemischen Prozessen als Filter – quasi als Sieb für Moleküle: Kleine Moleküle können passieren, große müssen draußen bleiben. Aber auch als Katalysatoren sind sie bestens geeignet, denn an die Oberfläche ihrer Mikroporen lassen sich Moleküle anlagern, die dann ganz bestimmte Reaktionen auslösen.

Kein Benzin und kein Waschpulver ohne Zeolithe

„Zeolithe sind die Arbeitspferde der modernen Chemie“, sagt Prof. Dr. Wilhelm Schwieger vom Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik der FAU. „Jeder Tropfen Benzin, den wir verbrauchen, ist durch die Poren eines Zeolith-Kristalls geflossen. Und unser handelsübliches Waschpulver besteht zu etwa 30 Prozent aus Zeolithen.“ Bis jetzt sind 218 verschiedene Zeolith-Strukturen bekannt. Diese große Vielfalt und die breiten Anwendungsmöglichkeiten machen diese Minerale für die For scher besonders interessant. „Wir versuchen Materialien herzustellen, die genau definierte Eigenschaften haben, um chemische Reaktionen zu initiieren, besser zu steuern und zu optimieren“, erklärt Schwieger.

Schichtartige Strukturen steuern Moleküle besser

Gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Hartmann vom Erlangen Catalysis Resource Center (ECRC) hat Schwieger im Rahmen des Erlanger Forschungsclusters „Engineering of Advanced Materials“ (EAM) jetzt einen neuartigen Katalysatortyp entwickelt. Das Besondere daran: Er besteht aus übereinander liegenden schichtförmigen Zeolithkristallen. Dadurch entsteht ein System mit sehr unterschiedlichen Porengrößen. Schwieger: „Die großen Poren mit mehreren Nanometern Durchmesser sind sozusagen die Autobahnen für Moleküle. Hier gelangen sie schnell zu einem bestimmten Punkt. Die kleinen Poren mit einem Durchmesser von unter einem Nanometer bilden dann quasi die unzähligen Trampelpfade, auf denen nur noch bestimmte Moleküle vorankommen.“

Der Vorteil dieser hierarchischen Struktur ist, dass genau die richtigen Moleküle sehr viel schneller zu den aktiven Zentren – den eingebauten Stoffen, die als Katalysator dienen – gelangen können. „Aus Sicht eines Moleküls ist ein Zeolith-Kristall riesengroß“, erklärt Martin Hartmann. „Die Wandfläche der Poren von fünf Gramm Zeolith ist etwa so groß wie ein Fußballfeld. Bis die Moleküle da durchgekommen sind, vergeht viel Zeit oder es kommt auch zu ungewollten Reaktionen. Weil wir die Porengrößen jetzt genau einstellen und durch eine geeignete Kombination mit verschiedenen Zeolithen schrittweise verkleinern können, lässt sich die Geschwindigkeit und der Weg der Moleküle durch die Kristallstruktur genau steuern.“

Weniger Nebenprodukte, geringerer Ressourcenverbrauch

Diese hierarchische Filterfunktion führt dazu, dass nur noch die gewünschten Moleküle zu den katalytischen Zentren transportiert werden. Schwieger: „Durch die Selektion lassen sich genau die Produkte herstellen, die wir haben wollen – ohne die sonst bei chemischen Reaktionen auch entstehenden Nebenprodukte“. Ein weiterer großer Vorteil dieser speziell designten Katalysatoren: Sie haben eine längere Standzeit, altern langsamer und bilden weniger Ablagerungen. „Wenn diese neuen Katalysatoren eines Tages beispielsweise in großtechnischen Prozessen eingesetzt werden, dann können sie zur Schonung unserer natürlichen Ressourcen beitragen. Und weil sie effizienter arbeiten, werden vermutlich auch die Kosten sinken“, sagt Hartmann.

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