Verblassendes Orangerot: Van-Gogh-Pigment unter der Lupe

Plumbonacrit als Zwischenstufe beim Abbau von Bleimennige

11.03.2015 - Belgien

Bleimennige kennt man vor allem als orangerote Rostschutzfarbe. Künstler aber wissen die leuchtende Farbe des Pigments schon seit der Antike zur Kolorierung ihrer Gemälde und anderer Artefakte zu schätzen. Verschiedene Alterungsprozesse führen jedoch mit der Zeit zu Verfärbungen des satten Farbtons. Dank einer Kombination von röntgenographischen Kartierungs- und Tomographieexperimenten gelang es belgischen Wissenschaftlern jetzt, einen zusätzlichen Schritt im lichtinduzierten Verfallsprozess von Mennige aufzuklären. Schlüssel zu dieser Erkenntnis war die Identifizierung des sehr seltenen Bleicarbonatminerals Plumbonacrit in einem Gemälde von Van Gogh, wie die Forscher in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten.

Mennige (Blei(II)-orthoplumbat) ist ein Bleioxid-Mineral der Zusammensetzung Pb3O4, dessen Farbe sich mit der Zeit ändert. Einerseits wird eine Verdunklung bzw. Verschwärzung des Pigments beschrieben, die entsteht, wenn Mennige in Plattnerit (β-Bleidioxid) oder zu Bleiglanz (Bleisulfid) reagiert. Andererseits kann eine Aufhellung auftreten, die auf der Umwandlung von Mennige in Anglesit (Bleivitriol, Bleisulfat) oder Cerussit/Hydrocerussit (Weißbleierz, Bleicarbonat) beruht.

Das Team um Koen Janssens von der Universität Antwerpen hat den Verfallsprozess von Mennige, der zur Aufhellung führt, jetzt weiter aufklären können. Die Forscher untersuchten eine mikroskopisch kleine Probe des Gemäldes „Heuschober an einem Regentag“ von Vincent van Gogh (1889, Öl auf Leinwand, Kröller-Müller Museum, Niederlande). Sie machten sich dazu röntgenographische Kartierungs- und Tomographieverfahren zu Nutze, um die Verteilung der verschiedenen kristallinen Verbindungen der Probe mit sehr hoher räumlicher Auflösung und Spezifität zu ermitteln. Anders als mit herkömmlichen röntgenkristallographischen Methoden kann so ein Tiefenprofil der Zusammensetzung gewonnen werden, ohne die Probe aufschneiden zu müssen.

Die Forscher fanden dabei eine unerwartete Verbindung, das sehr seltene Bleicarbonatmineral Plumbonacrit (3 PbCO3∙Pb(OH)2∙PbO). „Das ist das erste Mal, dass diese Substanz in einem Gemälde aus der Zeit vor Mitte des 20. Jahrhunderts gefunden wurde“, berichtet Frederik Vanmeert, erster Autor der Veroffentlichung. „Unsere Entdeckung wirft ein neues Licht auf den Aufhellungsprozess von Bleimennige.“ Basierend auf den neuen Erkenntnissen schlagen die Wissenschaftler einen möglichen Reaktionsweg vor, wie Mennige unter Einfluss von Licht und Kohlendioxid seine rote Farbe verliert: Die Bestrahlung mit Licht hebt Elektronen aus dem Valenz- in das Leitungsband der halbleitenden Mennige und löst so eine Reduktion zu PbO aus. Anschließend erfolgt eine schrittweise Aufnahme von CO2 aus der Luft und/oder aus Zersetzungsprodukten der Bindemittel der Ölfarbe. Dabei entsteht Plumbonacrit als eine wichtige Zwischenstufe, die dann unter fortschreitender CO2-Fixierung weiter zu Hydrocerussit und dann zu Cerussit (Bleicarbonat) umgesetzt wird, Zersetzungsprodukten, die weiß sind.

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