Nationale Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie: Was sich konkret ändern soll

24.06.2015 - Deutschland

Die Frist ist abgelaufen: Bis zum 31. Mai dieses Jahres hatten die EU-Staaten  Zeit, die bereits geltende Seveso-III-Richtlinie zur Beherrschung von Gefahren bei Unfällen mit gefährlichen Stoffen in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung  hat am 19. Mai einen entsprechenden Verordnungs- und Referentenentwurf  vorgelegt.

Was dieser vorsieht, zeigte die siebte Intensivtagung "Die neue  Seveso-III-Richtlinie und Aktuelles im Störfallrecht" der Umweltakademie Fresenius am 17. Juni 2015  in Köln auf.

Zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in deutsches Recht ist eine Anpassung  der Störfallverordnung sowie des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) notwendig. Dr. Norbert Wiese (LANUV NRW) stellte die zentralen Änderungen auf der Tagung  vor. Diese betreffen insbesondere die Information der Öffentlichkeit sowie die Durchführung von Genehmigungsverfahren.

Informationspflicht für Anlagenbetreiber

Anlagenbetreiber sollen in die Pflicht genommen werden, die Öffentlichkeit künftig sowohl über Tätigkeiten im Betriebsbereich und vorhandene relevante gefährliche Stoffe mitsamt Gefahreneigenschaften als auch über das Verhalten im Störfall und das Datum der letzten Vor-Ort-Besichtigung zu unterrichten. Zudem sind Hinweise zu geben, wo weitere Informationen zum Thema eingeholt werden können. Alle Angaben sollen laut Verordnungsentwurf ständig zugänglich sein und müssen stets auf dem neuesten Stand gehalten werden - dies gilt im Speziellen bei Änderungen am Betriebsbereich, an Verfahren, bei denen gefährliche Stoffe eingesetzt werden, und bezüglich der Menge, Art oder physikalischen Form gefährlicher Stoffe, aus denen sich erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf Gefahren im Störfall ergeben können. Die Informationspflicht ist  bei neuen Betriebsbereichen mindestens einen Monat vor Inbetriebnahme oder vor gravierenden Änderungen zu erfüllen. Wiese wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Pflicht auf Antrag des Betreibers auch von der zuständigen Behörde übernommen werden kann. Für bestehende Betriebsbereiche ist keine Übergangsvorschrift vorgesehen.

Darüber hinaus ist der Betreiber dazu verpflichtet, auf Anfrage der Öffentlichkeit den Sicherheitsbericht oder, sofern verlangt, einzelne Teile des Berichts zugänglich zu machen. Allerdings könne er von der zuständigen Behörde verlangen, bestimmte Berichtsteile nicht offenlegen zu müssen, unterstrich Wiese. Nach Zustimmung der Behörde legt ein Betreiber in solchen Fällen der Behörde einen geänderten Sicherheitsbericht  vor, in dem die nicht offen zu legenden Teile ausgespart sind und der zumindest  allgemeine Informationen über mögliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt im Fall eines Störfalls umfasst, und macht diesen auf Anfrage der Öffentlichkeit zugänglich.

Genehmigungsverfahren auch bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen möglich

Bei Errichtung oder störfallrelevanten Änderung einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage, die als Betriebsbereich oder Teil eines Betriebsbereichs gilt, wird eine so genannte Vorprüfung durchgeführt. Diese steht im Zusammenhang mit dem erforderlichen Sicherheitsabstand. Dieser richtet sich nach dem Abstandsgebot und der Einhaltung von Reinluftgebieten, die im Bundesimmissionsschutzgesetz festgelegt wurden. Betroffen sind störfallrelevante Änderungen von Betriebsbereichen in der Nachbarschaft  von Schutzobjekten. Sicherheitsabstände werden nach dem Leitfaden KAS-18 durch die zuständige Behörde ermittelt. Der Träger eines Vorhabens soll gemäß Störfallverordnung dieses schriftlich bei der zuständigen Behörde anzeigen und insbesondere Informationen und Unterlagen zu den für den Sicherheitsabstand maßgeblichen störfallspezifischen Faktoren einreichen, die sich aus dem Betriebsbereich und der Art und Menge der dort vorhandenen gefährlichen Stoffe ergeben. Stellt die Behörde auf Grundlage der Anzeige  fest, dass der Sicherheitsabstand nicht eingehalten ist, muss ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchlaufen werden. Ein vereinfachtes Verfahren ist nicht möglich (entsprechende Änderung im BImSchG). Ebenso kann die resultierende Entscheidung nicht selbständig angefochten werden. Ist dagegen der  Sicherheitsabstand eingehalten, ist ein Genehmigungsverfahren nicht notwendig. Die Feststellung der Behörde wird in diesem Fall lediglich öffentlich bekannt gemacht.

Neue Gefahrenkategorien definiert

Eine weitere Neuerung im Störfallrecht stellen die neuen Benennungen bzw. Einteilungen von Gefahrenkategorien dar, die im Anhang der neuen Störfallverordnung aufgeführt sind. Hier ein kurzer Überblick: Wird bisher in giftige oder sehr giftige  Stoffe unterschieden, ist nun eine Einteilung in "akut toxische" Stoffe  unterschiedlicher Kategorie (H1 = Kategorie 1 alle Expositionswege, H2 = Kategorie 2 alle Expositionswege sowie Kategorie 3 inhalativer Expositionsweg) bzw. in eine Gruppe für spezifische Zielorgantoxizität bei einmaliger Exposition (H3) vorgesehen. Anstatt von "explosionsgefährlichen Stoffen" ist nun von "explosiven Stoffen" unterschiedlicher Ausprägung und "selbstzersetzlichen Stoffen und Gemischen und organischen Peroxiden" die Rede. Weitere Beispiele: Brandfördernde Stoffe sollen künftig in letztgenannte Kategorie, "oxidierende Gase (Kategorie 1) und "oxidierende Flüssigkeiten und Feststoffe (Kategorie 1-3) aufgeteilt  werden, entzündliche Stoffe bzw. Flüssigkeiten finden sich je nach Ausprägung bei den "entzündbaren Flüssigkeiten" (insgesamt drei verschiedene Kategorien) wieder. Bei hochentzündlichen Stoffen stehen daneben die Kategorien der "entzündbaren Aerosole" und der "entzündbaren Gase" zur Einteilung zur Verfügung. Bei den "leichtentzündlichen Flüssigkeiten" kann auch die Extra-Kategorie der "pyrophoren Flüssigkeiten und Feststoffe" infrage  kommen.

Eine weitere allgemeine Änderung betrifft die Bezeichnung "umweltgefährliche Stoffe", die nun in "gewässergefährdende Stoffe" (akut und chronisch 1 sowie chronisch  2) umbenannt werden.

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