Seltene Erden als Umweltbelastung
Anthropogene Hochtechnologiemetalle in Rheinmuscheln gefunden
Flussabwärts von Worms ist der Rhein mit Lanthan und Samarium verunreinigt. Diese beiden Metalle gehören zur Gruppe der Seltenen Erden und stammen aus der Produktion von Katalysatoren für die Erdölverarbeitung. Bisher war unklar, ob Tiere diese Seltenen Erden aus dem Wasser aufnehmen und in ihrem Körper anreichern können. Michael Bau und Gila Merschel ist es nun gelungen, die Hochtechnologiemetalle erstmals in Muschelschalen nachzuweisen. „Wir haben an neun Stellen am Rhein zwischen Bodensee und niederländischer Grenze die Schalen von Körbchenmuscheln untersucht. Alle Muschelschalen, die wir nördlich von Worms beprobt haben, also flussabwärts von der Stelle, an der anthropogenes Lanthan und Samarium in den Rhein gelangen, weisen anomal hohe Gehalte dieser Metalle auf“, berichtet Michael Bau und ergänzt: „Das bedeutet, dass diese Seltenen Erden bioverfügbar sind und von Tieren und Mikroorganismen in ihren Körper aufgenommen werden können.“ Da über die Wirkung von Seltenen Erden auf den Menschen und insbesondere auf Kinder und Schwangere nur wenig bekannt ist, müssen weitere Studien jetzt klären, ob die Hochtechnologiemetalle auch von Fischen aufgenommen werden, die durch Fischer oder Hobbyangler in den Verzehr gebracht werden. Michael Bau und Gila Merschel betonen aber, dass nur im engeren Bereich der Einleitstelle nördlich von Worms die Lanthan-Konzentration im Rhein so hoch ist, dass dies zum Problem werden könnte.
Ein anderes Selten-Erd-Element, das in nahezu allen deutschen Flüssen als Verunreinigung auftritt, ist Gadolinium. Es stammt aus Kontrastmitteln, die bei der medizinischen Diagnostik in der Magnetresonanztomographie verwendet werden, und gelangt über das gereinigte Abwasser von Klärwerken in Flüsse und Seen. In Muschelschalen aus Rhein und Weser konnten die Jacobs Geochemiker das Kontrastmittel-Gadolinium bisher jedoch nicht nachweisen. Es ist also im Gegensatz zum anthropogenen Lanthan und Samarium nicht bioverfügbar.
Aber nicht nur in Deutschland, sondern nahezu überall auf der Welt breiten sich die Hochtechnologiemetalle in der Umwelt aus. Im Rahmen einer Studie des EU-Projektes CLIM-AMAZON haben Michael Bau und Gila Merschel herausgefunden, dass der Lago Paranoa, ein als Naherholungsgebiet vielbesuchter künstlicher See in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia, weiträumig mit Kontrastmittel-Gadolinium verunreinigt ist. Gemeinsam mit ihrer Bachelor-Studentin Linda Baldewein und Kollegen der Universität Brasilia ist den Bremer Wissenschaftlern damit der erste Nachweis des Hochtechnologiemetalls in Fluss- oder Seewasser in Südamerika gelungen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass mit dem Gadolinium-haltigen Abwasser in Zukunft auch andere Xenobiotika wie zum Beispiel Arzneimittelrückstände, in dem See gelangen können. Das ist zwar zurzeit noch kein Problem, aber unsere Beobachtung ist wichtig, weil eine zukünftige Nutzung des Lago Paranoa als Trinkwasser-Reservoir diskutiert wird“, so Gila Merschel. Das Gemeinschaftsprojekt mit der Universität Brasilia ist Teil einer Brasilien-Kooperation des Bereichs Umwelt- und Rohstoffgeochemie im Earth and Environmental Sciences (EES) Programm der Jacobs University. Diese umfasst neben Forschungsprojekten in Brasilia und am Amazonas auch den Austausch von Studierenden und die gemeinsame Betreuung von Doktoranden.
Originalveröffentlichung
"Rare earth elements in the aragonitic shell of freshwater mussel Corbicula fluminea and the bioavailability of anthropogenic lanthanum, samarium and gadolinium in river water"; Prof. Michael Bau und Gila Merschel; "Science of the Total Environment"
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