Wenn es sich reibt, sind die Atome schuld
Reibung und Verschleiß spielen praktisch in jedem Industriebereich eine wichtige Rolle. AC²T und TU Wien konnten nun wichtige Gesetze der Reibung auf atomarer Ebene erklären.
Copyright: AC2T research GmbH
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Wenn man einen Schlitten über den Asphalt zieht, dann macht er hässliche Geräusche und wird von der Reibkraft gebremst. Wenn sich dann noch dazu jemand auf den Schlitten setzt, wird die Reibung noch viel größer und man wird ihn kaum noch ziehen können. Je größer die Last, umso größer die Reibkraft – das ist ein wohlbekanntes Gesetz der Reibungslehre. Warum es allerdings einen so einfachen, linearen Zusammenhang zwischen Last und Reibung gibt, war bisher nicht klar.
Ein Team des Exzellenzzentrums für Tribologie AC2T research GmbH (kurz AC²T) und der TU Wien konnte diese Frage nun auf mikroskopischer Ebene klären: Entscheidend ist die effektive Kontaktfläche zwischen den beiden aneinander reibenden Objekten. Erstaunlich ist, dass sich damit sogar das Reibverhalten bei Materialverschleiß erklären lässt. Auch in diesem Fall ist die effektive Kontaktfläche auf atomarer Skala die entscheidende Größe. Die Arbeit wurde nun im Fachjournal „Physical Review Letters“ veröffentlicht.
Tribologie: Reibung gibt es überall
Tribologie ist die Wissenschaft, die sich mit Reibung, Schmierung und Verschleiß beschäftigt. In fast allen Bereichen der Industrie hat man mit tribologischen Phänomenen zu tun – von der Reibung eines Zylinderkolbens im Motor über Bremsen bis hin zu Schienen, Seilbahnen oder Papiermaschinen.
Am Exzellenzzentrum für Tribologie (bzw. innerhalb des Schirmprojektes COMET-K2-Zentrum XTribology, hervorgegangen aus der TU Wien, gefördert vom Bund im Wege der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG sowie den Bundesländern Niederösterreich, Vorarlberg und Wien), werden Reibung und Verschleiß in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft wissenschaftlich untersucht.
Reibung auf mikroskopischer Skala
Um die tieferen Grundlagen der Reibung zu verstehen, muss man die Reibungsoberflächen manchmal auf atomarer Ebene untersuchen. AC²T und die TU Wien entwickelten Computersimulationen, in denen Oberflächen auf der Größenskala von Nanometern modelliert wurden. In der Simulation kann man diese dann gegeneinander bewegen und somit die Reibung und den Materialabtrag nachstellen.
Die Reibung beruht darauf, dass die beiden aufeinander aufliegenden Oberflächen nicht ganz glatt sind. Einzelne Rauheitsspitzen kommen miteinander in Kontakt. „Wenn die Last gering ist, besteht nur physischer Kontakt zwischen den äußersten Unebenheiten der beiden Flächen“, erklärt Stefan Eder (AC²T), der Erstautor der Studie. „Wirkt von oben eine größere Last ein, werden die beiden Flächen enger aneinandergedrückt, und die effektive Kontaktfläche wird größer.“
Auf die Fläche kommt es an
Je größer die Kontaktfläche ist, auf der die Atome beider Objekte wechselwirken, umso größer ist auch die Reibkraft. Der einfache lineare Zusammenhang zwischen Last und Reibung kommt also daher, dass mehr Last zu einer immer größeren Zahl von Atomen führt, die miteinander eng wechselwirken können. „Im Experiment ist es praktisch unmöglich, die Größe der effektiven Kontaktfläche zu messen“, sagt Stefan Eder. „In unserer Computersimulation können wir uns aber genau ansehen, wie die Nanostrukturen ineinandergreifen und welche Kontaktflächen sich ergeben. So können wir zeigen, dass es tatsächlich einen linearen Zusammenhang zwischen Kontaktfläche und Kraft gibt.“
Die Rechnungen erklären auch, warum die Reibung besonders groß ist, wenn eckige Partikel an einer Oberfläche reiben, und etwas geringer, wenn runde Partikel dominieren: Eckige Partikel führen zu einer größeren effektiven Kontaktfläche, runde Partikel berühren die raue Oberfläche fast nur an einem Punkt. Außerdem konnte gezeigt werden, dass der einfache Zusammenhang zwischen Kontaktfläche und Reibkraft auch dann noch gegeben ist, wenn es zu deutlichem Materialverschleiß an der Oberfläche kommt.
„Dass dieses recht einfache Bild tatsächlich auf mikroskopischer Skala seine Gültigkeit behält, ist überraschend“, meint Stefan Eder. „Mikroskopische Berechnungen dieser Vorgänge geben uns nun auch die Möglichkeit, kompliziertere Fälle zu verstehen, die sich nicht mit einem so einfachen Zusammenhang zwischen Last und Reibkraft erklären lassen.“
Ein Beispiel dafür ist etwa das Rasterkraftmikroskop: Eine feine Nadel auf einem winzigen Hebel wird über eine raue Oberfläche gezogen, nur einige wenige Atome in der äußersten Spitze der Nadel kommen in Kontakt mit der Oberfläche. „Reibung und Last sind nur direkt proportional, wenn man die Reibung als statistischen Effekt beschreiben kann, der durch eine große Zahl von Kontaktpunkten verursacht wird“, sagt Stefan Eder. „Beim Rasterkraftmikroskop hat man im Idealfall nur einen Kontaktpunkt, da muss man tatsächlich die Wechselwirkungen zwischen den äußersten Atomen untersuchen.“
Die Berechnungen wurden nun im Fachjournal „Physical Review Letters“ publiziert. Die theoretischen Arbeiten werden bei AC²T und an der TU Wien noch weitergeführt – die Erkenntnisse daraus sollen dann auch in die vielen industrienahen tribologischen Projekte einfließen, an denen im Exzellenzzentrum gearbeitet wird, beispielsweise zu den Themen Hochglanzpolieren oder Verschleißprozesse mit Nanopartikeln.