Forschern gelingt Manipulation von Nanostäbchen
Nanorotoren haben den Dreh raus
Copyright: Gruppe Markus Arndt, Universität Wien; Bild: Stefan Kuhn
Wieso können wir quantenmechanische Phänomene bislang nur in kleinen Systemen beobachten und gibt es eine fundamentale Massengrenze? Die Beantwortung dieser Frage steht im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten des Forscherteams rund um Markus Arndt, Professor für Quantenphysik an der Universität Wien, und findet sich ebenso im Programm des EU Konsortiums NANOQUESTFIT, das an der Universität Wien koordiniert wird. Bei der Suche, Quanteneffekte mit immer größeren Objekten zu demonstrieren, ist es wichtig, deren Eigenschaften kontrollieren zu können. Das europäische Konsortium konnte nun erstmals Silizium-Nanostäbchen so präparieren, dass sie mittels Laserlicht im Vakuum kontrolliert zum Fliegen gebracht werden können.
"Obwohl diese Teilchen zehn Millionen mal kleiner sind und sich über eine Millionen mal schneller drehen als die Rotorblätter eines Hubschraubers, können wir ihre Bewegung nicht nur sichtbar machen, sondern durch intensives Laserlicht sogar manipulieren", so Stefan Kuhn, Erstautor der Studie. Der erfreuliche Nebeneffekt: Aufgrund der Form der Nano-Rotoren werden bis zu dreimal stärkere Kräfte beobachtet, als man für runde Teilchen gleicher Masse erwarten würde. Das ist ein wichtiger Faktor im Vergleich zu allen bislang untersuchten Systemen.
Ein Wald aus Silizium-Stäbchen
Die Nanoteilchen werden an der Universität von Tel Aviv in Israel unter der Leitung von Fernando Patolsky hergestellt. Dabei wird aus der Oberfläche eines Silizium-Plättchens ein Wald aus stehenden Stäbchen geätzt, deren Dicke rund 200 Mal dünner ist als die eines Haares. Ein spezielles Verfahren erzeugt an den Füßen der Stäbchen Sollbruchstellen, an denen sie später gezielt abgebrochen werden können – dies sieht in etwa so aus, wie von Bibern angenagte Bäume kurz vor dem Umfallen. Tatsächlich abgebrochen werden die Stäbchen allerding erst im Wiener Quantennanolabor – durch intensive Laserlichtimpulse auf die den Stäbchen abgewandte Rückseite des Plättchens. Die abgelösten Teilchen fliegen in der Vakuumapparatur durch einen optischen Resonator, der infrarotes Laserlicht auf eine Leistung von einigen hundert Watt verstärkt.
Ein neuer Twist für die Optomechanik
Wenn die frei fliegenden und rotierenden Teilchen mit dem Laserlicht innerhalb des Resonators wechselwirken, passiert Folgendes: Zum einen streuen die Nanoteilchen einen Teil des Lichts abhängig von ihrer Position und Orientierung. Dadurch lässt sich die Bewegung jedes einzelnen Teilchens in Echtzeit mit der Auflösung einer Millionstel Sekunde verfolgen. Zum anderen übt das Licht Kräfte auf die Bewegung der Teilchen aus, wodurch deren Geschwindigkeit und Drehung beeinflusst werden können. In Zukunft möchte das Team die optischen Kräfte nutzen, um die Drehbewegung der Nanorotoren zu kühlen. "Die Rotation der Teilchen gibt uns neue Freiheitsgrade, um die Teilchen zu kontrollieren", so Kuhn. "Zusätzlich könnte man unser System als Sensor zur Messung sehr kleiner Kräfte, als Mini-Kreisel oder zur Untersuchung der Thermodynamik an einzelnen Teilchen verwenden."