Glyphosat: Warum IARC und BfR die kanzerogene Wirkung unterschiedlich bewerten
Mehr Sachlichkeit in der Diskussion um die EU-Wirkstoffprüfung von Glyphosat gefordert
Der BfR-Präsident berichtete vom Stand des EU-Genehmigungsverfahrens zum Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat, das derzeit auf wissenschaftlicher Seite noch nicht abgeschlossen ist. Das BfR hat in einem Addendum zum Bewertungsbericht an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) alle Studien bewertet, die die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) in ihrer Monographie zur Einstufung von Glyphosat zitiert hatte. Nach Prüfung und Bewertung sämtlicher vom IARC aufgeführter Studien kommt das BfR weiterhin zu dem Schluss, dass bei sach- und bestimmungsgemäßer Anwendung in der Landwirtschaft nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis keine gesundheitliche Gefährdung durch Glyphosat zu erwarten ist. Die EU-Mitgliedsstaaten haben das Addendum inzwischen kommentiert und die wissenschaftliche Exzellenz und Sorgfalt der BfR-Bewertung ausdrücklich hervorgehoben.
Die IARC hatte Glyphosat als „wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen“ eingestuft. Um der wissenschaftlichen Sorgfaltspflicht und der Besorgnis in der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen, hatte das BfR in seinem Bericht an die EFSA dringend empfohlen, die Monographie der IARC im EU-Wirkstoffverfahren noch zu berücksichtigen, obgleich deren ausführliche Veröffentlichung erst über drei Monate nach dem Abgabetermin des BfR-Bewertungsberichts erschien.
Die unterschiedlichen Einschätzungen zwischen der IARC, dem BfR und anderen europäischen und außereuropäischen Bewertungsbehörden und Gremien beruhen auf unterschiedlichen Bewertungsansätzen. Der Auftrag der IARC ist es, Stoffe mit einem krebserzeugenden Gefahrenpotential zu identifizieren. Im Unterschied zur IARC berücksichtigt die Risikobewertung des BfR sowohl die Gefahrenanalyse als auch die reale Aufnahmemenge bei bestimmungsgemäßer Anwendung. Die IARC gibt auch keine Empfehlungen für Regulation oder Gesetzgebung. Ein weiterer Grund für die unterschiedlichen Bewertungen von IARC und BfR besteht darin, dass das IARC nicht nur den reinen Wirkstoff Glyphosat bewertet hat, sondern auch glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel. Diese enthalten neben dem Wirkstoff auch Beistoffe, die zum Teil toxischer als der Wirkstoff Glyphosat sind.
Dagegen wird nach der Gesetzgebung im europäischen Wirkstoffverfahren zunächst immer nur der reine Wirkstoff bewertet und genehmigt. Erst anschließend wird in einem nachgeschalteten Verfahren darüber entschieden, ob die beantragten Pflanzenschutzmittel, also die jeweiligen Gemische aus Wirkstoff und Beistoffen, entsprechend den beantragten Anwendungsbedingungen für eine EU-Zone zugelassen werden.
Risikobewertung und Risikomanagement sind in Deutschland und der Europäischen Union behördlich streng getrennt. Über die Genehmigung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat entscheidet die EU-Kommission gemeinsam mit allen Mitgliedsstaaten auf Grundlage der Empfehlung der EFSA. Die EFSA hat Deutschland beauftragt, einen ersten Bewertungsbericht zu erstellen, der auf europäischer Ebene geprüft und bearbeitet wird. Das BfR wurde vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) beauftragt, die gesundheitliche Bewertung von Glyphosat vorzunehmen. Neben dem Teilbericht des BfR flossen auch die Teilberichte des Umweltbundesamtes (UBA) und des Julius-Kühn-Instituts (JKI) zur Umweltverträglichkeit und Wirksamkeit des Stoffes in den deutschen Bewertungsbericht ein.