Deutschland braucht eine Abgabe auf Pflanzenschutzmittel
Europäisches Recht verlangt nicht nur, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren, sondern auch deren Eintrag in die Umwelt zu minimieren und die Nutzer an den gesellschaftlichen Kosten zu beteiligen. Die seit 2014 verbindlichen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes verlangen auch, dass Pflanzenschutzmittel nur bei fehlenden Alternativen und fachlicher Notwendigkeit eingesetzt werden dürfen. Auch die Bundesregierung setzt sich mit dem Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) ehrgeizige Ziele. So sollen die Risiken, die die Anwendung der Mittel für den Naturhaushalt mit sich bringt, bis 2023 um 30 Prozent reduziert und die Risiken für Verbraucher, Anwender und Anwohner weiter minimiert werden.
Eine Abgabe auf Pflanzenschutzmittel kann bei ausreichender Höhe ihren Einsatz mengenmäßig dämpfen, das Risiko für Mensch und Umwelt verringern und so die notwendige Trendumkehr bzgl. des Einsatzes von Pestiziden einleiten. Zu den Lenkungseffekten zählen nicht nur kurzfristige Substitutions-, sondern auch langfristige Markt- und Preiswirkungen bei Agrarprodukten. Diese können über einen permanenten Strukturwandel und das Auffinden neuartiger Lösungen eine weitere Reduzierung anregen. Bei einer Abgabe geschieht das zugleich auf kosteneffiziente und marktwirtschaftliche Weise und mit vergleichsweise geringen Verwaltungskosten. Gleichzeitig beteiligt die Abgabe die Verursacher an den gesellschaftlichen Folgekosten. Sie hilft direkt sowie über die Verwendung des eingenommenen Geldes die nationalen und europäischen Ziele zu erreichen. Zudem sei sie sowohl verfassungs- als auch unionsrechtlich zulässig, stellen die Gutachter klar.
„Ohne zusätzliche ökonomische Anreize werden die europäischen und nationalen Ziele der Pflanzenschutzpolitik nicht zu erreichen sein“, betont Dr. Stefan Möckel, Jurist am UFZ und Leiter der Studie. Die Forscher schlagen konkret einen Grundabgabesatz in Hohe von 20 Euro für die maximal zulässige Aufwandmenge je Pflan-zenschutzmittel pro Hektar und Jahr („Hektar-Basispreis) vor. Denn die Aufwand-menge spiegelt die höchst unterschiedlichen Wirkintensitäten der Pflanzenschutzmittel und damit ihre Umweltgefährlichkeit am besten und einfachsten wider. Hinzu kommen spezifische Risikozuschläge, etwa für Gesundheitsgefahren oder für Haus- und Kleingartenmittel. „Auf diese Weise lassen sich sehr einfach, aber doch risikoorientiert Lenkungsimpulse setzen“, erläutert System-Ökotoxikologe Prof. Matthias Liess vom UFZ.
Die Abgabe sollte bei den inländischen Herstellern und Importeuren bzw. den Groß- und Einzelhandlern erhoben werden, damit diese dann die Abgabe – wie bei der Verbrauchbesteuerung üblich – auf den Verkaufspreis aufschlagen. Dadurch erfahren die Anwender der Mittel wie gewünscht ein Preissignal, und Ernteprodukte, bei deren Erzeugung besonders viele Pestizide eingesetzt werden, verteuern sich am Markt.
Die Abgabe würde den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, der typischerweise nur wenige Prozent der landwirtschaftlichen Produktionskosten ausmacht, im Durch-schnitt um rund 40 Prozent je Hektar verteuern. „Für die Landwirtschaft ist eine Ab-gabe in dieser Höhe insgesamt ohne Weiteres tragbar“, stellt UFZ-Chefökonom Prof. Erik Gawel klar: „Sie ist in dieser Ausgestaltung verhältnismäßig und im internationalen Wettbewerb tragbar.“ Dies ergebe sich aus einer Abschätzung der Kostensteigerungs-, Ertragsausfall- und finalen Gewinnwirkung pro landwirtschaftlichem Betrieb.
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