Quanten, die Fehler verzeihen

An der TU Wien werden die Quantenzustände von Stickstoffatomen mit Mikrowellen manipuliert

16.11.2015 - Österreich

Präzision ist gefragt, wenn man quantenphysikalische Experimente durchführen will. An der TU Wien forscht man an Stickstoffatomen, die in Diamanten eingebaut sind. Um den Quantenzustand eines solchen Atoms zu verändern und wirklich sicher sein zu können, dass das Ergebnis stimmt, muss man das System allerdings mit einem exakt richtigen Mikrowellenpuls bestrahlen. In der Praxis ist das ein schwieriges Problem. Nun gelang es, ein Rezept für die Herstellung "robuster" Quanten-Umschaltprozesse zu entwickeln, das auch dann noch zum richtigen Ergebnis führt, wenn die Anfangsbedingungen mit gewissen Fehlern behaftet sind.

TU Wien

Im Labor am Atominstitut der TU Wien werden die Quantenzustände von Stickstoffatomen mit Mikrowellen manipuliert.

Modell für die Quantentechnologie

Quantenphysikalische Systeme, deren Zustand gezielt umgeschaltet werden kann, benötigt man in unterschiedlichen Bereichen. Man kann sie etwa verwenden, um extrem präzise Messgeräte zu bauen, und auch an Konzepten für Quantencomputer wird geforscht. Ein besonders interessantes Quantensystem sind Stickstoffatome, die in einem winzigen Diamanten eingebaut sind. Gemessen an der Zeit, die man benötigt, um sie zu manipulieren, bleibt ihr Zustand relativ lange stabil, daher eignen sie sich gut als Speicher für Quanteninformation. Mit Mikrowellen kann man die Stickstoffatome recht einfach zwischen zwei verschiedenen Quantenzuständen unterschiedlicher Spinrichtung hin und her schalten.

Wenn man wirklich sicher sein will, das Atom in den richtigen Zustand gebracht zu haben, muss man genau wissen, welchen Mikrowellenpuls man braucht. "Die einfachste Variante ist, die Atome für eine bestimmte Zeit mit konstanter Mikrowellenstrahlung zu beleuchten", erklärt Tobias Nöbauer aus der Arbeitsgruppe von Johannes Majer am Atominstitut der TU Wien. Die genau richtige Zeitspanne für die Mikrowellenbestrahlung zu erwischen, ist allerdings schwierig. "Ob man am Ende tatsächlich genau den richtigen Quantenzustand erreicht, hängt von vielen Faktoren ab", erklärt Nöbauer. "Von der genauen Frequenz der Mikrowellenstrahlung, von mikroskopischen Details der Probe und störenden Feldern von außen." Man kann es niemals schaffen, über all diese Fehlerquellen perfekt Bescheid zu wissen – für die Praxistauglichkeit von Quantentechnologien ist das ein großes Problem.

Intelligente Fehlerkorrektur

Manchmal ist es aber sinnvoll, nicht den kürzesten Weg zu gehen, sondern den robustesten. In Zusammenarbeit mit der Gruppe von Florian Mintert am Freiburg Institute for Advanced Studies / Imperial College London wurde in Computersimulationen berechnet, wie man verschiedene Mikrowellenfrequenzen optimal überlagern kann, sodass sie zu einem Umschaltprozess des Stickstoffatoms führen, selbst wenn bestimmte äußere Parameter etwas anders sind als gedacht. "Der Quantenzustand tritt dann eine etwas kompliziertere Reise durch den Raum der möglichen Zustände an. Auch wenn er anfangs ein bisschen anders ausgesehen hat als gedacht, kommt er am Ende mit großer Sicherheit dort an, wo wir das wollen", sagt Tobias Nöbauer. Im Experiment an der TU Wien konnte das Team zeigen, dass der computeroptimierte Puls die Erfolgswahrscheinlichkeit tatsächlich drastisch erhöht. So führt etwa ein optimierter Puls selbst dann noch sehr genau zum korrekten Ziel, wenn er mit einer doppelt überhöhten Leistung oder um eine halbe Oktave "verstimmten" Frequenz abgespielt wird.

Robustheit und Skalierbarkeit

Durch den optimierten Umschaltprozess kann man nun die Quanteneigenschaften der Stickstoffatome in den Diamantpartikeln viel besser nutzen. "Im Labor, in einem völlig kontrollierten Versuchsaufbau, kann man es schaffen, den Mikrowellenpuls exakt richtig einzustellen. Aber um diese Systeme technologisch in der Praxis anwenden zu können, ist Robustheit ganz entscheidend", sagt Tobias Nöbauer. "Hochpräzise Quanten-Sensoren will man auch in komplizierten Umgebungen einsetzen können, zum Beispiel in einer biologischen Probe, die man nie exakt berechnen kann." Außerdem möchte man für viele Anwendungen, beispielsweise auch für hypothetische Quantencomputer, viele solche Quantensysteme miteinander verschalten. Dies Skalierbarkeit kann man nur erreichen, wenn man alle Fehlerquellen minimiert. Die optimale Kontrolle könnte die Stickstoffatome im Diamant daher zu einem noch heißeren Kandidaten für künftige quantentechnologische Anwendungen machen.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...