Schwieriges Jahr für die deutsche Chemie

Wirtschaftliche Bilanz der Branche 2015

11.12.2015 - Deutschland

Die wirtschaftliche Bilanz der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland zeigt 2015 Licht und Schatten. Die Produktion konnte zwar leicht zulegen, aber der Umsatz stagnierte wegen der erneut sinkenden Herstellerpreise. Während die Exporte nach Übersee insbesondere durch die Abwertung des Euros im Vergleich zum Dollar deutlich zulegten, blieb die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen im Inland schwach. Insgesamt stieg die Produktion 2015 um 1 Prozent. Ohne Pharmazeutika sank das Mengengeschäft jedoch um 0,5 Prozent. „Für ein besseres Ergebnis fehlten durchgreifende Impulse von der Weltwirtschaft“, sagte Marijn Dekkers, Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI).

Destatis, VCI

Kernindikatoren der chemischen Industrie in Deutschland

Zu den Aussichten für das kommende Jahr sagte Dekkers: „Alles in allem spricht vieles für eine leichte Belebung des Chemiegeschäftes mit Kunden im In- und Ausland.“ Wegen der wirtschaftlichen Stabilisierung im Heimatmarkt Europa, des robusten Aufwärtstrends in den USA und der anhaltenden Nachfrage in Asien erwartet der VCI auch 2016 einen Anstieg der Chemieproduktion in Deutschland. Diese Tendenz gelte aber, so Dekkers, nicht für alle Geschäftszweige: „In der Basischemie mildert zwar das günstige Öl den Nachteil der Produktionskosten gegenüber den USA oder dem Nahen Osten ab. Dennoch haben die Unternehmen mit zunehmendem Importdruck und Problemen der Wettbewerbsfähigkeit zu kämpfen.“ Für das kommende Jahr geht der VCI von einem Zuwachs der Chemie-Produktion um 1,5 Prozent aus. Der Gesamtumsatz sollte bei gleichbleibendem Preisniveau ebenfalls um 1,5 Prozent auf 193,6 Milliarden Euro steigen, wozu vor allem das Auslandsgeschäft beiträgt.

Daten und Fakten zur Jahresbilanz 2015 der deutschen Chemie

Umsatz 2015:

Bei rückläufigen Preisen von minus 2,5 Prozent lag der Gesamtumsatz in der chemisch-pharmazeutischen Industrie trotz leicht gestiegener Produktionsmenge auf dem Niveau des Vorjahrs bei 190,8 Milliarden Euro.

Im Inland sank der Umsatz wegen des Preiseffektes um 1,5 Prozent auf 74,6 Milliarden Euro.

„Das Europageschäft erfüllte unsere Erwartungen nur bedingt“, sagte VCI-Präsident Dekkers zum Abschneiden des traditionell exportstarken Industriezweiges. Der Auslandsumsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um 1,0 Prozent auf 116,2 Milliarden Euro. Während die Verkäufe nach Westeuropa (EU15) um 1,5 Prozent sanken, beflügelte die Abwertung des Euro zum Dollar die Ausfuhren nach Übersee: Der Umsatz mit den NAFTA-Staaten konnte kräftig ausgeweitet werden (+13,0 Prozent). Vor allem das Geschäft mit Pharmazeutika lieferte hier positive Impulse. Ebenfalls im Plus waren die Verkäufe nach Asien (+5,0 Prozent) und Lateinamerika (+3,5 Prozent).

Beschäftigung:

Die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche stieg gegenüber 2014 um 0,5 Prozent auf aktuell 447.000 Mitarbeiter. Der Jobaufbau kam in der zweiten Jahreshälfte zum Erliegen.

Forschung und Investitionen:

Die Forschungsaufwendungen verharrten auf dem Niveau des Vorjahres. Rund 10,4 Milliarden Euro gaben die Unternehmen 2015 für Forschung und Entwicklung aus. Dekkers‘ Bewertung: „Stagnation wird nicht reichen, um im globalen Wettbewerb mitzuhalten. Innovationen sind unsere Stärke, aber wir müssen viel dafür tun, dass sie es auch bleiben.“ Wagniskapitalgesetz und steuerliche Forschungsförderung forderte er hier als wichtige politische Impulse ein. In Sachanlagen investierte die Chemie im Inland mit 7,2 Milliarden Euro (+1,0 Prozent) kaum mehr als im Vorjahr. Die Auslandsinvestitionen der Unternehmen erreichten mit 8,6 Milliarden Euro (+2,0 Prozent) dagegen einen neuen Rekordwert. „Diese Trends in unserer Branche beobachten wir mit Sorge. Auf Dauer bedrohen sie die Leistungsfähigkeit der gesamten Wertschöpfungsketten. Wir brauchen dringend eine industriepolitische Initiative, um das Investitionsklima in Deutschland deutlich zu verbessern – nicht nur für die Chemie, sondern die gesamte Industrie“, betonte der VCI-Präsident.

Klimapolitik:

Wenige Tage vor Ende der Klimakonferenz in Paris appellierte der Hauptgeschäftsführer des VCI, Utz Tillmann, an die teilnehmenden Staaten, mit einem Abkommen auch die Perspektive für einen weltweiten CO2-Markt zu schaffen. Ein Abkommen sollte nach Ansicht des VCI Marktmechanismen enthalten, damit die Emissionen dort gesenkt werden, wo es am effizientesten und kostengünstigsten möglich ist. „Wir brauchen einen globalen CO2-Markt, der überall nach gleichen marktwirtschaftlichen Regeln funktioniert. Dadurch entsteht eine Lenkungswirkung für mehr Klimaschutz ohne künstlichen Preisanstieg durch die Politik“, betonte der VCI-Hauptgeschäftsführer.

Tillmann wies darauf hin, dass kein anderes System weltweit die Industrie beim Klimaschutz so verbindlich und anspruchsvoll in die Pflicht nehme wie der europäische Emissionshandel. Notwendig sei mehr Chancengleichheit, damit Klimaschutzmaßnahmen die Branche nicht dauerhaft im globalen Wettbewerb belasten. Denn die Situation spitzt sich zu: Ab 2021 will die EU unabhängig vom Ausgang der Klimakonferenz den Emissionshandel weiter verschärfen, um ihr CO2-Ziel für 2030 von -40 Prozent zu realisieren. Der deutschen Chemie drohen dadurch Mehrkosten von über 2 Milliarden Euro pro Jahr.

Bisher kann die chemische Industrie Deutschlands eine sehr erfolgreiche Klimabilanz vorweisen: Seit 1990 hat die Branche ihren Ausstoß von Treibhausgasen fast halbiert, obwohl sich die Produktion gleichzeitig um 60 Prozent erhöht hat. „Mit effizienten Produktionsanlagen und energiesparenden Produkten sehen wir uns als Wegbegleiter der Gesellschaft in eine emissionsarme Zukunft. Wir wollen mithelfen, das 2-Grad-Ziel zu erreichen“, betonte Tillmann. Aber nur eine wettbewerbsfähige und innovationsstarke Chemie, so der VCI-Hauptgeschäftsführer, könne die Technologien entwickeln, die im Kampf gegen den Klimawandel benötigt werden.

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