Kalte Fermionen gehen auf Abstand

Wissenschaftlern gelingt es, die „Pauli-Blockade“ zwischen fermionischen Lithium-Atomen in einem optischen Gitter direkt zu beobachten.

06.01.2016 - Deutschland

Im Mikrokosmos herrschen eigene Gesetze – die Regeln der Quantenmechanik. Sie beschreiben unter anderem das statistische Verhalten der Elementarteilchen. So gehören Elektronen und alle anderen Bausteine der Atome zur Gruppe der Fermionen, die niemals in allen Quantenzahlen übereinstimmen dürfen. Dieses „Ausschließungsprinzip“ formulierte im Jahr 1925 der österreichische Physiker Wolfgang Pauli, um Aufbau und Stabilität der Atome zu erklären. Was damals postuliert und in elegante mathematische Gleichungen gegossen wurde, kann heute in quantenoptischen Experimenten überprüft werden. Ein Durchbruch gelang jetzt Wissenschaftlern aus der Abteilung Quanten-Vielteilchensysteme von Prof. Immanuel Bloch am Max-Planck-Institut für Quantenoptik .

Das Team um Projektleiter Dr. Christian Groß konnte erstmals die aus dem Ausschließungsprinzip folgende „Pauli-Blockade“ direkt beobachten. Dazu kühlten die Physiker ein Gas aus fermionischen Lithium-6-Atomen auf extrem tiefe Temperaturen ab und luden die kalten Teilchen in ein optisches Gitter. Da gleichartige Fermionen nicht die gleichen Gitterplätze einnehmen dürfen, sollte sich jedes Atom seinen eigenen Platz aussuchen. Genau dies konnten die Wissenschaftler mit einem Quantengasmikroskop beobachten, das einzelne Atome mit entsprechender räumlicher Auflösung abbilden kann. „Unser Erfolg beruht darauf, dass wir unsere an Bosonen erprobte Kühl- und Abbildungsmethode für Fermionen anpassen konnten“, erklärt Dr. Groß. „Unsere Arbeit gibt einen neuen Zugang, Quantenkorrelationen in fermionischer Quantenmaterie zu beobachten, oder Phänomene wie Quantenmagnetismus und Supraleitung besser zu verstehen.“

Die Quantenstatistik unterscheidet zwischen zwei grundlegend unterschiedlichen Sorten von Teilchen: den „geselligen“ Bosonen, die am absoluten Temperaturnullpunkt in einen einzigen Quantenzustand „kondensieren“, und den „einzelgängerischen“ Fermionen auf der anderen Seite, für die die mehrfache Besetzung eines einzelnen Zustandes verboten ist. Bei der Arbeit mit Quantengasen haben die Wissenschaftler gewissermaßen die Qual der Wahl: Teilchen mit halbzahligem Spin zählen zu den Fermionen, Bosonen dagegen haben ganzzahligen Spin. Welcher Statistik – und damit welchem „Sozialverhalten“ – Atome gehorchen, ergibt sich also aus der Zahl ihrer Protonen, Neutronen und Elektronen. Dem Ziel, das Verhalten von Elektronen in einem Festkörperkristall mit Atomen in optischen Gittern zu simulieren, kommt man mit Fermionen erheblich näher. Allerdings wurden in den meisten Experimenten bisher Bosonen bevorzugt, da sich Fermionen aus verschiedenen Gründen nur schwer auf die erforderlichen tiefen Temperaturen kühlen lassen.

Hier ist dem Team um Dr. Christian Groß in einem Experiment mit fermionischen Lithium-6-Atomen ein entscheidender Durchbruch gelungen, indem es effiziente Kühlmethoden und präzise Detektion zu kombinieren vermochte. Zunächst kühlen die Wissenschaftler die Atome mit verschiedenen Methoden ab und fangen sie in einer Dipolfalle ein. Die bereits extrem kalte Wolke aus Lithium-Atomen wird dann mit Licht- und Magnetfeldern so präpariert, dass schließlich nur noch eine Ebene aus ca. 700 bis 800 Atomen übrig bleibt. Diesen wird ein optisches Gitter überlagert, das durch die Interferenz von Laserstrahlen erzeugt wird. Das Lichtgitter definiert die Kristallgeometrie und legt fest, wo sich die Atome aufhalten dürfen.

Der wirklich entscheidende und neue Schritt ist aber die Modifizierung des in der Gruppe entwickelten Quantengasmikroskops. Die Wissenschaftler wandten eine spezielle Kühlmethode, die ursprünglich für die Abkühlung von Ionen entwickelt wurde, auf Fermionen in einem Gitter an. Bei dieser besonderen Form der Laserkühlung werden die quantenmechanischen Schwingungszustände des Atoms in einem Gittertöpfchen so manipuliert, dass das Atom in den niedrigsten Zustand getrieben und somit gekühlt wird.

Bei dem Kühlprozess werden gleichzeitig Photonen an den Atomen gestreut, so dass diese wie kleine Nanoglühbirnen aufleuchten und einzeln beobachtet werden können. Ein hochauflösendes Mikroskopobjektiv kann dabei alle Atome gleichzeitig abbilden, und es kann so ein fotografischer Schnappschuss des atomaren Gases aufgenommen werden. Die Aufnahmen zeigen, dass die Teilchen im mittleren Bereich der Falle sehr gleichmäßig verteilt sind, bei einem Atom pro Gitterplatz. „Wichtig ist, dass diese Verteilung allein aufgrund der Quantenstatistik, d.h. des Pauli-Prinzips, zustande kommt“, betont Ahmed Omran, Doktorand am Experiment. „Identische Fermionen haben eine abstoßende Wirkung aufeinander, es gibt keine weitere Wechselwirkung zwischen den Atomen.“

In einem Festkörpergitterkristall bilden sich aufgrund der periodischen Anordnung der Atome „Bänder“ aus, in denen die Energieniveaus, die die Elektronen besetzen können, dicht benachbart liegen. Wenn im obersten sogenannten Valenzband alle Zustände besetzt sind, können sich Elektronen nicht bewegen – es handelt sich bei diesen Stoffen somit um Isolatoren. Der in dem Experiment erzeugte Quantenzustand des fermionischen Lithium-Systems verhält sich ganz analog: das Pauli-Prinzip führt zur vollen Besetzung des Valenzbandes und damit zur Unterdrückung der Leitfähigkeit. Unter dem Mikroskop äußert sich dies in einer starken Unterdrückung von Teilchenfluktuationen in der isolierenden Region.

Die neue Technik beinhaltet viele Möglichkeiten für weitere Experimente mit Quanten-Vielteilchensystemen aus fermionischen Atomen. Sie kann z.B. weiterentwickelt werden um einzelne Fermionen in einem Vielteilchensystem zu manipulieren, was eine Möglichkeit zum Erreichen noch tieferer Temperaturen darstellt. Bei diesen sollte sich erwartungsgemäß eine antiferromagnetische Ordnung ausbilden, die man mit dem Quantengasmikroskop direkt beobachten und charakterisieren kann. Gerade dieser Antiferromagnetismus wird als heißer Kandidat für die Erklärung grundlegender Supraleitungsphänomene gehandelt.

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