Bochumer Chemikerin wirbt 2,5 Millionen Euro ein
Interaktion von Proteinen mit umgebendem Lösungsmittel in Echtzeit verfolgen
© Christian Nielinger
Die Leiterin des Bochumer Lehrstuhls für Physikalische Chemie II kooperiert in dem Projekt mit Prof. Dr. Irit Sagi vom israelischen Weizmann-Institut und Dr. Matthias Heyden vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Die Partner arbeiten bereits erfolgreich im Rahmen des Exzellenzclusters „Ruhr Explores Solvation“ (Resolv) zusammen, dessen Sprecherin Martina Havenith ist.
Einziges Auswahlkriterium: wissenschaftliche Exzellenz
Die Europäische Union fördert mit dem Programm risikoreiche bahnbrechende Ideen von etablierten Wissenschaftlern. Im Jahr 2015 gingen 1.953 Anträge aus 29 verschiedenen Ländern ein. Der Europäische Forschungsrat bewilligte rund 14 Prozent davon. Wissenschaftliche Exzellenz war das einzige Auswahlkriterium.
„Ich habe die Nachricht von der Bewilligung am Flughafen in Zürich erhalten, nach einem elfstündigen Flug“, sagt Havenith. „Ich musste sie dreimal lesen, bevor ich es geglaubt habe. Es ist eine großartige Chance, ein paar aufregende Ideen auszuprobieren.“
Die Rolle von Wasser ist unterschätzt
Fundamentale biologische Prozesse wie enzymatische Reaktionen finden in wässrigen Lösungen statt – aber nur, wenn sich die Reaktionspartner im Lösungsmittel erkennen. Diesen Erkennungsprozess untersuchen Forscher mit der Kalorimetrie. Die Methode erfasst unter anderem Enthalpie und Entropie, welche Maße für den Wärmetransfer und die Unordnung im System sind.
Aktuell erlaubt die Kalorimetrie nur Analysen auf Zeitskalen von 1 bis 100 Sekunden. Außerdem erfasst sie lediglich den Zustand, in dem die Reaktionspartner bereits aneinander gebunden sind. „Eine erfolgreiche enzymatische Reaktion kommt aber durch das dynamische Zusammenspiel der Interaktionspartner und des Lösungsmittels zustande“, sagt Havenith. Mit der Terahertz-Kalorimetrie könnten sich diese Prozesse in Zukunft mit millionenfach besserer zeitlicher Auflösung untersuchen lassen.
Interdisziplinärer Ansatz
Für die neue Technik kommen Lichtpulse mit einer Wellenlänge knapp unter einem Millimeter zum Einsatz, also im Terahertz-Bereich. Diese Frequenzen decken genau den Bereich ab, der für die thermische Anregung von Lösungsmitteln und Biomolekülen interessant ist. Die Belichtung mit Terahertz-Pulsen erlaubt Aussagen darüber, wie sich Schwingungen im Wassernetzwerk oder bei der kollektiven Bewegung von Proteinen und Aminosäuren verändern. Daraus wiederum will die Forscherin auf Änderungen der Entropie und Enthalpie während der molekularen Erkennungsprozesse zurückschließen.
Eine weitere Besonderheit der neuen Methode: Sie soll separat erfassen, welchen Beitrag Lösungsmittel und Biomoleküle an der Variation der Entropie haben. Dafür kombiniert das Bochumer Projekt die Expertise im Bereich der Terahertz-Laser-Entwicklung mit Mikrowellentechnologie, Biophysik, Kalorimetrie und theoretischer Modellierung. „Interdisziplinäre Diskussionen in Resolv haben die Idee für die Terahertz-Kalorimetrie inspiriert“, berichtet Martina Havenith.
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