Milbenkäse: „Igitt“ oder doch „Hmm, lecker“?

Forscher entlocken Milbenkäse das Aroma-Geheimnis

28.04.2016 - Deutschland

Der „Würchwitzer Milbenkäse“ gehört zu den teuersten deutschen Käsesorten. Woher aber kommt sein Zitrus-Aroma? Dieser bislang ungeklärten Frage gingen Biologen der TU Darmstadt nach. Sie fanden heraus: Milben helfen nicht nur bei der Reifung, sondern prägen mit ihren Abwehrstoffen den Geschmack.

Sandra Junker / TU Darmstadt

Ein „Würchwitzer Milbenkäse“ mit von lebenden Milben dicht besiedelter Käserinde.

Sandra Junker / TU Darmstadt

Die Milben werden mit einem Pinsel vom Käse gesammelt und in ein Lösungsmittel (Hexan) überführt. Hier geben sie ihr Wehrsekret ab, es löst sich und kann dann chemisch untersucht werden.

Sandra Junker / TU Darmstadt
Sandra Junker / TU Darmstadt

Wenn Milben einen Käse befallen, gilt er normalerweise als verdorben. Nicht so beim „Würchwitzer Milbenkäse“: Dieser wird bei der Herstellung willentlich mit tausenden der Tierchen versetzt – die Milben leben dann mehrere Monate auf dem Käse, unterstützen so dessen Reifung, und machen ihn zu einem der teuersten Käse Deutschlands. Der Würchwitzer Milbenkäse zeichnet sich zum einen durch seinen kümmelartigen Geschmack aus, zum anderen wird er schon seit hunderten von Jahren wegen seines fruchtigen Aromas geschätzt. So schrieb der Arzt und Parasitenforscher Friedrich Küchenmeister schon 1881: „Bekanntlich wird Acarus siro [die Käsemilbe] in manchen Gegenden Deutschlands von Landwirten förmlich (in sogenannten Milbenkisten) gezüchtet, um den Milbenkäse, der wegen seines zitronensäuerlichen Geschmackes von Gourmands geliebt wird, herstellen zu können.“ Mittlerweile haben die Würchwitzer ihren Käsemilben sogar ein Denkmal gesetzt und ein Stückchen des berühmt-berüchtigten Käses zur Internationalen Raumstation ISS entsandt.

Woher aber kommt der fruchtige Geschmack? Das war bis jetzt unbekannt und kann durch die zugesetzten Gewürze nicht wirklich erklärt werden. Der Frage gingen der Milbenkundler Dr. Michael Heethoff und sein Doktorand Adrian Brückner aus der Arbeitsgruppe „Ökologische Netzwerke“ im Fachbereich Biologie der TU Darmstadt nach. Was als Käse-Tasting begann, wurde schnell zur Suche nach den chemischen Ursachen für das Zitrus-Aroma. Zunächst entfernten die Forscher alle Milben und untersuchten das Duft-Bouquet des Käses ohne seine Bewohner. Hier konnten sie jedoch keine zitronenartigen Duftstoffe nachweisen. Käsemilben zeichnen sich, neben ihrer Vorliebe für Käse, dadurch aus, dass sie sich ihre Feinde mit einem abschreckenden Wehrsekret vom Leibe halten. Und in ebendiesem Sekret fanden die Wissenschaftler unter anderem Neral, eine der Hauptkomponenten des Zitronenöls. Der fruchtige Charakter des Käses begründet sich also nicht durch die eigentliche Herstellung, sondern erklärt sich vielmehr durch eine Abwehrreaktion der Milben beim Schneiden und Zerkauen der Delikatesse. Für das volle Aroma des Milbenkäses sind also die Milben unverzichtbar.

Neben dem deutschen Milbenkäse gibt es übrigens auch noch den französischen Mimolette, welcher ebenfalls mithilfe von Käsemilben reift. Auch bei diesem fanden die Forscher Neral und konnten die zitronenartige Geschmacksnote somit den Käsemilben zuschreiben.

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