Skyrmionen à la carte

07.06.2016 - Deutschland

Magnetische Wirbel – sogenannte Skyrmionen – sind vor mehr als 25 Jahren theoretisch vorhergesagt worden, konnten aber erst vor wenigen Jahren experimentell in magnetischen Materialien nachgewiesen werden. Skyrmionen sind stabil, können Durchmesser von nur wenigen Nanometern haben und lassen sich effizient durch elektrische Ströme bewegen. Daher werden sie derzeit als Kandidaten für die energiesparende Speicherung und Verarbeitung von Daten auf engstem Raum diskutiert. Bis vor kurzem waren jedoch nur Materialien bekannt, bei denen Skyrmionen bei sehr tiefen Temperaturen auftreten. In magnetischen Schichtstrukturen können Skyrmionen allerdings auch für Anwendungen bei Raumtemperatur realisiert und die Eigenschaften gezielt eingestellt werden, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Forschungszentrums Jülich vorhersagen.

Bertrand Dupé, CAU

Winzige magnetische Wirbel mit einem Durchmesser von nur wenigen Nanometern in einer metallischen Schichtstruktur. Die Grafik stellt den „atomaren Stabmagneten“ eines jeden magnetischen Atoms durch einen kleinen farbigen Pfeil dar. Die roten, nach oben weisenden Pfeile zeigen einen homogenen, ferromagnetischen Hintergrund. In den magnetischen Wirbeln – den Skyrmionen – drehen die „atomaren Stabmagnete“ der Eisenatome (orange und grüne Pfeile) und weisen in ihren Zentren eine entgegengesetzte Ausrichtung auf (blaue Pfeile).

Jedes Skyrmion könnte einmal ein Bit speichern, da ist sich das Team um den Kieler Physiker Dr. Bertrand Dupé sicher. Durch die geringe Größe der Wirbel lässt sich eine hohe Dichte erreichen. Anders als bei Festplatten, die zum Einschreiben und Auslesen von Daten in Rotation versetzt werden, könnten sich bei Skyrmionen-basierten Bauteilen die Bits durch das Material hindurch bewegen, ähnlich wie elektrischer Strom durch einen Draht fließt. Mechanisch bewegliche Teile werden nicht benötigt, lediglich schwache elektrische Ströme. Das spart Energie. Die Daten wären außerdem nach dem Einschalten sofort verfügbar, werden also nicht-flüchtig gespeichert. Die angestrebten Bauteile könnten mit Techniken herstellbar sein, die heute schon industrieller Standard sind.

Erstmals wurden Skyrmionen 2009 experimentell in exotischen Kristallen bei Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt beobachtet. Inzwischen wurden diese einzigartigen magnetischen Strukturen auch an metallischen Grenzflächen gefunden, wie sie heute schon in technologischen Anwendungen, beispielsweise in magnetischen Sensoren oder Leseköpfen von Festplatten, zum Einsatz kommen. Um Skyrmionen als Speichermedium zu realisieren, müssen die Grenzflächen sich auch auf großer Skala herstellen lassen, genug magnetisches Material besitzen und die magnetischen Wirbel müssen auch bei Zimmertemperatur auftreten.

Wie diese Herausforderungen gelöst werden können, schlagen die Forscher der Universität Kiel und des Forschungszentrums Jülich in ihrer aktuell veröffentlichten Studie vor. Darin zeigen sie, dass sich die magnetischen Eigenschaften der Grenzflächen gezielt einstellen lassen, indem man unterschiedliche Metalle sehr dünn übereinander schichtet. Jede der Schichten ist nur wenige Atomlagen dick. "Mithilfe von quantenmechanischen Rechnungen, die auf den Supercomputern des Forschungszentrums Jülich sowie des Norddeutschen Verbunds für Hoch- und Höchstleistungsrechnen durchgeführt worden sind, konnten wir eine Vielzahl von möglichen Systemen untersuchen", sagt Professor Stefan Heinze von der CAU. Die vielfache Wiederholung solcher Schichten sorge dafür, dass genügend magnetisches Material vorhanden ist und Skyrmionen auch bei Zimmertemperatur realisierbar sein sollten, so Heinze weiter.

"Unsere Arbeit gibt den Experimentatoren Rezepte an die Hand, wie man Skyrmionen à la carte realisieren kann", erläutert Bertrand Dupé. Dass diese theoretischen Rezepte aus dem Supercomputer auch in der Praxis umsetzbar sind, hat sich kürzlich gezeigt. "Die Idee, Skyrmionen in Schichtsystemen zu realisieren, ist bereits von einigen Forschungsgruppen auf der ganzen Welt aufgegriffen worden. Vor wenigen Monaten wurde in mehreren Veröffentlichungen von der erfolgreichen experimentellen Beobachtung von Skyrmionen berichtet", sagt Dr. Gustav Bihlmayer vom Forschungszentrum Jülich. Die theoretischen Grundlagen für diese Experimente liefere ihre aktuelle Publikation, so Bihlmayer weiter.

Bis zu ersten Speicheranwendungen auf der Basis magnetischer Skyrmionen ist es jedoch noch ein langer Weg. Die Realisierung von Prototypen magnetischer Datenspeicher untersuchen die Kieler und Jülicher Forscher in dem Projekt MAGicSky. Den experimentellen Teil übernehmen dabei Kollegen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz. Die Europäische Union fördert das Vorhaben innerhalb des Programms Future Emergent Technologies.

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