Kaltgebrannte Keramik
Paradigmenwechsel bei der Keramikherstellung: Kalt Sintern statt heiß Brennen
© Wiley-VCH
„Schon seit der Steinzeit werden Keramiken durch Sintern bei hohen Temperaturen hergestellt“, berichtet Clive A. Randall von der Pennsylvania State University (USA), „so auch die Venus von Dolní Věstonice, eines der ältesten keramischen Erzeugnisse.“ Das traditionelle Brennen könnte jetzt für viele keramische Werkstoffe überflüssig werden, denn eine breite Palette anorganischer Materialien und Verbundstoffe kann auch zwischen Raumtemperatur und 200 °C verdichtet werden.
Beim konventionellen Hochtemperatur-Sintern werden einzelne keramische Pulverpartikel zu einem festen Körper verdichtet. Treibende Kraft ist die Verringerung der hohen Freien Oberflächenenergie des Pulvers durch eine Materialdiffusion – ein Vorgang, der erst bei sehr hohen Temperaturen abläuft. „Beim kalten Sintern sorgen dagegen Lösungseffekte in Wasser für die Materialverdichtung“, so Randall. „Diese finden bereits bei niedrigen Temperaturen statt – unter Druck innerhalb von Minuten statt Stunden.“
Auch wenn die Details für verschiedene Systeme variieren, so konnte doch für eine Reihe keramischer Materialien festgestellt werden, dass zunächst kleine Mengen Wasser als vorübergehende flüssige Phase scharfe Kanten an den Grenzflächen zwischen den Partikeln auflösen, was die Freie Oberflächenenergie des Pulvers verringert. Bei geeignet eingestellten Druck- und Temperaturverhältnissen diffundiert das gelöste Material durch die Flüssigkeit und schlägt sich dann bevorzugt außerhalb der Kontaktbereiche zwischen den Partikeln nieder. Dadurch schließen sich die Poren und das Material wird kompakter.
Randall: „Das kalte Sintern funktioniert für eine breite Palette anorganischer Verbindungen, wie Metalloxide, Karbonate und auch für Mehrstoff- und Verbundsysteme. Die Eigenschaften der kalt gesinterten Proben entsprachen denen konventionell gesinterter.“ Am Beispiel verschiedener Materialien, z.B. Natriumchlorid, Alkali-Molybdaten, Vanadiumoxid, hatten die Wissenschaftler den Prozess im Detail untersucht.
„Nach Verbundmaterialien aus Keramiken mit Metallen, Polymeren oder anderen Keramiken gibt es eine hohe Nachfrage, aber aufgrund von Unterschieden der thermischen Stabilität, der Schrumpfung und möglicher chemischer Unverträglichkeiten bei hohen Temperaturen lassen sie sich nicht so einfach brennen“, so Randall. „Diese Problematik würde beim kalten Sintern minimiert.“ Zudem eröffnen sich nachhaltigere und kostengünstigere Produktionsalternativen für keramische Materialien. Kalt gesinterte Verbundmaterialien könnten den Zugang zu Systemen mit neuen Eigenschaften für innovative Technologien eröffnen.
Originalveröffentlichung
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Chemie-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für die chemische Industrie, Analytik, Labor und Prozess bringt Sie jeden Dienstag und Donnerstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.