Quanten-Jonglieren mit freien Elektronen
Wissenschaftler manipulieren Quantenzustand freier Elektronen mit Lichtfeldern
Universität Göttingen
Wenn wir einen Film sehen, der gerade rückwärts abgespielt wird, erkennen wir dies üblicherweise auf den ersten Blick. Unsere Alltagserfahrung lehrt uns, dass die meisten Vorgänge – beispielsweise das Zerspringen eines Blumentopfes – nicht ohne weiteres umkehrbar sind. Dieser „gerichtete Zeitpfeil“ entsteht durch die ungeordnete Wechselwirkung der großen Zahl daran beteiligter Atome und Moleküle. Ist man jedoch in der Lage, ein einzelnes Atom oder Elektron isoliert zu betrachten, lassen sich mikroskopische, quantenmechanische Prozesse häufig sehr gezielt steuern oder auch vollständig umkehren, was auch als „kohärente Kontrolle“ bezeichnet wird.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Claus Ropers und Dr. Sascha Schäfer am IV. Physikalischen Institut der Universität Göttingen hat nun experimentell gezeigt, dass diese Konzepte auf einen Strahl freier Elektronen übertragen werden können. Im Experiment lenkten die Forscher einen kurzen Elektronenpuls durch eine nanoskopisch kleine Metallstruktur, in der die Elektronen mit mehrfachen, präzise gesteuerten Lichtfeldern wechselwirken können. Ausgehend von einer einzigen Anfangsgeschwindigkeit der Elektronen erzeugen diese Lichtfelder in der Nanostruktur quantenmechanische Überlagerungen verschiedener Geschwindigkeiten. Die genaue Intensität und die zeitliche Verzögerung dieser Lichtpulse beeinflusst dabei das Endergebnis. So kann beispielsweise in einem ersten Laserbeschuss eine breite Verteilung an Geschwindigkeiten erzeugt werden. Mit einem zweiten Puls kann diese dann entweder noch stärker verbreitert oder wieder in den Ausgangszustand zurückversetzt werden – vereinfacht ausgedrückt wie das Zusammensetzen des zersprungenen Blumentopfes.
Eine analoge Form der mehrfach gepulsten Wechselwirkung mit Quantensystemen wird in verschiedenen Spektroskopie- und Abbildungsmethoden verwendet, beispielsweise in der Magnetresonanztomografie (MRT). Auf dem gleichen Prinzip beruhen Atomuhren für hochpräzise Zeitmessungen und damit sogar die Definition der Sekunde. Auch die Göttinger Forscher verbinden ihre Technologie mit der Hoffnung auf neue Anwendungen. „Wir möchten die extrem hohe zeitliche Empfindlichkeit des Phänomens nutzen“, so Katharina Echternkamp, Doktorandin am IV. Physikalischen Institut und Erstautorin der Studie. „In Zukunft werden wir Elektronenpulse mithilfe von Licht maßgeschneidert strukturieren können, was völlig neue Formen der zeitaufgelösten Elektronenmikroskopie ermöglicht.“
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