Magnetische Bits und elektrische Felder

Forscher nutzen erstmalig elektrische Felder zum Schreiben und Löschen magnetischer Skyrmionen

08.11.2016 - Deutschland

Physikern der Universität Hamburg ist es gelungen, einzelne magnetische Skyrmionen – eine Art magnetischer Knoten – individuell mit lokalen elektrischen Feldern zu schreiben und zu löschen. Solche wirbelförmigen magnetischen Strukturen besitzen außergewöhnliche Eigenschaften und sind vielversprechende Kandidaten für zukünftige Datenspeicher. Deswegen sind Skyrmionen bereits seit einigen Jahren Gegenstand aktiver Forschung und wurden bisher mit magnetischen Feldern oder elektrischen Strömen manipuliert. Hamburger Wissenschaftler haben die kontrollierte Erzeugung und Auslöschung einzelner Skyrmionen mit lokalen elektrischen Feldern demonstriert. Diese Rastertunnelmikroskopie-Experimente, welche die fundamentale Wirkung elektrischer Felder auf magnetische Eigenschaften untersuchen, weisen zugleich einen möglichen Weg hin zu einer energieeffizienteren Informationstechnologie.

A. Kubetzka, P.-J. Hsu und R. Wiesendanger, Universität Hamburg

Nanoskalige Skyrmionen in ultradünnen Eisenfilmen von nur drei Atomlagen Dicke, aufgereiht auf wohl definierten Nanodatenspuren. Die Magnetisierung im Zentrum der 4 nm langen Skyrmionen (gelb) ist entgegengesetzt zu ihrer magnetischen Umgebung (blau) und zum äußeren angelegten Magnetfeld. Das Bild zeigt die Daten einer spinpolarisierten Rastertunnelmikroskopie-Messung, welche magnetische Nanostrukturen bis hin zur atomaren Skala abbilden kann.

A. Kubetzka, P.-J. Hsu und R. Wiesendanger, Universität Hamburg

Löschen (links) und Schreiben (rechts) einzelner nanoskaliger Skyrmionen mit Hilfe lokaler elektrischer Felder. Zwischen den einzelnen Bildern wurde die Spitze eines Rastertunnelmikroskops entsprechend positioniert und das elektrische Feld kurzzeitig auf +3V/nm (links), bzw. -3 V/nm (rechts) erhöht. Ein einzelner atomarer Defekt (dunkel) in der ultradünnen Eisenschicht zeigt die extrem kleine Skala der eingeschriebenen Skyrmionen (heller Kontrast) auf.

A. Kubetzka, P.-J. Hsu und R. Wiesendanger, Universität Hamburg
A. Kubetzka, P.-J. Hsu und R. Wiesendanger, Universität Hamburg

Magnetische Skyrmionen kann man sich bildlich als einen zweidimensionalen Knoten vorstellen, bei dem sich die atomaren magnetischen Momente mit einem definierten Drehsinn innerhalb einer Ebene einmal komplett um 360° drehen. Diese magnetischen Knoten haben Teilchencharakter und man kann sie aufgrund ihrer Topologie charakterisieren: ein Skyrmion hat die topologische Ladung „1“, im Gegensatz zu einer Magnetisierung ohne Knoten mit der topologischen Ladung „0“.

In den bisher verwendeten konventionellen Speichern bestehen die magnetischen Bits, ähnlich wie klassische Stabmagnete, aus vielen Atomen mit einer parallelen Anordnung ihrer magnetischen Momente und können entsprechend ihrer magnetischen Ausrichtung die für die Informationstechnologie wichtigen Werte „1“ und „0“ darstellen. Diese zwei Zustände sind physikalisch gleich und können daher nicht gezielt mit elektrischen Feldern geschaltet werden. Anders ist dies im Fall von Skyrmionen. Hier kann man die topologische Ladung nutzen um mit einem Skyrmion den Bit-Zustand „1“ (es gibt ein Skyrmion) und „0“ (es gibt kein Skyrmion) darzustellen. Diese zwei Zustände sind aufgrund der verschiedenen Topologie physikalisch nicht gleich und man kann daher ihre Energiebalance mit elektrischen Feldern beeinflussen.

Die Hamburger Experimentalphysiker aus der Gruppe von Prof. Roland Wiesendanger konnten zeigen, dass in geeignet eingestellten äußeren Magnetfeldern die experimentell realisierbaren elektrischen Felder ausreichend sind für eine reversible Manipulation einzelner Skyrmionen: dabei bestimmt die Richtung des elektrischen Feldes direkt, ob geschrieben oder gelöscht wird. Abbildung 1 zeigt ein Bild des verwendeten drei Atomlagen dicken Eisenfilms auf einem Iridium-Kristall in einem magnetischen Feld. Die Skyrmionen (gelb) haben dabei aufgrund der atomaren Anordnung im Eisenfilm eine asymmetrische Form und ordnen sich durch Nanostrukturierung wie auf einer Festplatte in Reihen an, allerdings auf einer viel kleineren Skala von nur wenigen Nanometern. Abbildung 2 demonstriert das kontrollierte Löschen (links) mit der einen Richtung und das Schreiben (rechts) mit der anderen Richtung des elektrischen Feldes.

"Das Entscheidende ist, dass die zwei Zustände 'Skyrmion' und 'Ferromagnet' durch keine Symmetrieoperation verknüpft sind, nur deshalb ist das elektrische Feld wirksam.", sagt Dr. Kirsten von Bergmann, Wissenschaftlerin an der Jungiusstrasse, "Das folgt im Grunde direkt aus der unterschiedlichen Topologie der beiden Zustände". Pin-Jui Hsu, der die Experimente im Labor durchgeführt hat, sagt: "Es war schnell klar, dass sich die Skyrmionen schalten lassen. Ich war allerdings überrascht, wie lokal das elektrische Feld wirkt, und dass die Richtung des Feldes eine so große Rolle spielt."

Das experimentell realisierte Schreiben und Löschen von Skyrmionen mit elektrischen Feldern zeigt einen neuen möglichen Weg für eine energieeffizientere Datenspeichertechnologie auf, da der Schreib- und Leseprozess nahezu stromlos funktioniert.

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