Eintritt in die Zeptosekunden-Messung
Erste absolute Bestimmung des Zeitpunktes einer Photoionisation
M. Ossiander (TUM) / M. Schultz (MPQ)
Trifft Licht auf die zwei Elektronen eines Heliumatoms, dann muss man extrem schnell sein, um das Geschehen zu beobachten. Hinzu kommen quantenmechanische Vorgänge: Trifft ein Lichtteilchen (Photon) auf die zwei Elektronen, kann es nämlich sein, dass die gesamte Energie des Photons entweder von dem einen Elektron aufgenommen wird oder sich aufteilt.
In jedem Fall der Energieübertragung aber verlässt ein Elektron das Heliumatom. Diesen Vorgang nennt man Photoemission oder photoelektrischen Effekt. Für seine Erklärung erhielt Albert Einstein 1921 den Nobelpreis.
Von dem Zeitpunkt an, an dem das Photon mit den Elektronen wechselwirkt bis zu dem Zeitpunkt an dem ein Elektron das Atom verlässt, dauert es zwischen fünf und fünfzehn Attosekunden (1 as ist 10-18 Sekunden). Das fanden die Physiker bereits vor einigen Jahren heraus.
Einblick in die Welt der Zeptosekunden
Mit ihrer nun verbesserten Messmethode können die Laserphysiker das Geschehen bis auf 850 Zeptosekunden genau messen. Die Forscher schickten zur Anregung der Elektronen einen Attosekunden langen extrem ultravioletten Lichtblitz (XUV) auf ein Heliumatom.
Gleichzeitig ließen sie einen zweiten infraroten Laserpuls auftreffen, der rund vier Femtosekunden dauerte (1fs ist 10-15 Sekunden). Sobald das Elektron durch die Anregung des XUV–Lichtblitzes das Atom verlassen hatte, wurde es vom infraroten Laserpuls erfasst.
Je nachdem wie gerade das elektromagnetische Feld dieses Pulses zum Zeitpunkt der Erfassung beschaffen war, wurde das Elektron beschleunigt oder abgebremst. Über diese Geschwindigkeitsveränderung konnten die Physiker mit Zeptosekunden-Genauigkeit die Photoemission erfassen.
Im Einklang mit theoretischen Voraussagen
Erstmals bestimmten die Forscher wie die Energie des einfallenden Photons sich auf die beiden Elektronen des Heliumatoms in wenigen Attosekunden vor der Emission eines Teilchens quantenmechanisch verteilt hatte.
"Mit der Messung elektronischer Korrelation wurde hier ein Versprechen der Attosekundenphysik eingelöst, nämlich die zeitliche Auflösung eines Prozesses, die mit anderen Methoden unerreichbar ist", sagt Reinhard Kienberger, Inhaber des Lehrstuhls für Laser- und Röntgenphysik der TU München.
Die Physiker konnten darüber hinaus die Präzision ihrer Experimente bis auf Zeptosekunden-Genauigkeit mit den theoretischen Vorhersagen ihrer Kollegen vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien korrelieren.
Mit seinen zwei Elektronen ist Helium das einzige Mehrelektronensystem, das sich vollständig quantenmechanisch berechnen lässt. Damit bietet es sich geradezu an, Theorie und Experiment unter einen Hut zu bringen.
„Wir können jetzt in dem verschränkten System aus Elektron und ionisiertem Helium-Mutteratom aus unseren Messungen die komplette wellenmechanische Beschreibung des Systems ableiten“, sagt Schultze vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching.
Mit ihren Metrologie-Experimenten in Zeptosekunden-Zeitdimensionen haben die Laserphysiker damit ein weiteres wichtiges Puzzlestück in der Quantenmechanik des Heliumatoms an die richtige Stelle manövriert und die Messgenauigkeit im Mikrokosmos erstmal in ganz neue Dimensionen vorangetrieben.
Die Arbeiten wurden gefördert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über den Exzellenzcluster Munich-Centre for Advanced Photonics, den Österreichischen Wissenschaftsfonds sowie die Europäische Gemeinschaft (über zwei ERC Grants und das Marie Curie-Programm). Neben der TU München und LMU München sowie dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching waren die Technische Universität Wien und die Universidad Autónoma de Madrid am Projekt beteiligt.