Grundlage für neuartige Solarzellen

Ernte von Sonnenlicht mittels heißer Polaronen

26.01.2017 - Deutschland

Ein interdisziplinäres Forscherteam hat die Grundlagen für einen völlig neuen Typus von Solarzelle entwickelt. Die neuartige Methode wandelt jenseits der herkömmlichen Wirkmechanismen Infrarotlicht in elektrische Energie um. Die Funktion der Festkörper-Solarzelle aus dem Mineral Perowskit beruht auf sogenannten Polaron-Anregungen. Das sind kombinierte Anregungen von Elektronen und Gitterschwingungen des Festkörpers. Die Wissenschaftler um Prof. Christian Jooss von der Universität Göttingen, Prof. Simone Techert, Leitende Wissenschaftlerin bei DESY, Professorin an der Universität Göttingen und Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, sowie Prof. Peter Blöchl von der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld stellen ihre Entwicklung vor.

Dirk Raiser, MPIbC/DESY

Blick auf eine experimentelle Polaron-Solarzelle im Labor.

„Während in konventionellen Solarzellen die Wechselwirkung von Elektronen mit Gitterschwingungen zu unerwünschten Verlusten führen und daher ein wesentliches Problem darstellen, können diese Polaron-Anregungen in der Perowskit-Solarzelle bei bestimmten Betriebstemperaturen fraktal gebildet und langlebig genug werden, damit ein ausgeprägter photovoltaischer Effekt auftritt“, erläutert Hauptautor Dirk Raiser vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen und DESY. „Dies erfordert jedoch einen geordneten Grundzustand der Ladungen, der einer Art Kristallisation der Ladungen entspricht und so starke kooperative Wechselwirkungen der Polaronen ermöglicht.“

Die untersuchten Perowskit-Solarzellen mussten im Labor auf etwa minus 35 Grad Celsius gekühlt werden, damit der Effekt einsetzte. Voraussetzung für eine praktische Anwendung ist die Realisation geordneter Polaronenzustände bei höheren Temperaturen. „Die vorliegenden Messungen wurden an einem gut charakterisierten Referenzmaterial durchgeführt, um das Prinzip des Effektes zu verdeutlichen, dafür wurde die tiefe Übergangstemperatur in Kauf genommen“, erläutert Ko-Autorin Techert.

Göttinger Materialphysiker arbeiten an einer Modifizierung und Optimierung des Materials, um eine höhere Betriebstemperatur zu erreichen. „Der kooperativen Zustand könnte sich unter Umständen auch durch geschickte Anregung mit weiterem Licht vorübergehend einstellen lassen“, sagt Techert. Sofern eine dieser Strategien erfolgreich ist, könnten zukünftig Solarzellen oder photochemische Energieträger mittels reichlich vorhandener Perowskit-Oxidverbindungen erzeugt werden.

„Die Entwicklung hocheffizienter und einfach gebauter Festkörper-Solarzellen ist immer noch eine wissenschaftliche Herausforderung, der sich viele Arbeitsgruppen auf der Welt stellen, um die künftige Energieversorgungen zu gewährleisten“, betont Forschungsleiter Jooss. „Neben der Material- oder Bauoptimierung schon etablierter Solarzellen beinhaltet dies auch die Erforschung neuer grundlegender Mechanismen des lichtinduzierten Ladungstransports und der Umwandlung in elektrische Energie. Auf diese Weise sollte es möglich sein, Solarzellen basierend auf neuen Wirkprinzipien zu entwickeln.“

Genau dies ist der interdisziplinären Gruppe von Materialphysikern, Theoretikern, chemischen Physikern und Röntgenphysikern nun im Rahmen des Göttinger Sonderforschungsbereich SFB 1073, „Kontrolle der Energiewandlung auf atomaren Skalen“, gelungen. Für die Erforschung der neuartigen Solarzellenfunktion waren dabei ultraschnelle optische und strukturelle Analysemethoden entscheidend, wie sie in aktuellen und früheren Arbeiten zu diesem Thema zum Einsatz kamen.

„Insbesondere erfordert die Bestimmung dynamischer Prozesse in molekularen Einheiten – als sogenannter Molekularfilm – den Einsatz brillanter und ultraschneller Röntgenlichtquellen wie PETRA III bei DESY oder dem Europäischen Freie-Elektronenlaser European XFEL, der in diesem Jahr den Betrieb beginnt“, betont Techert. „Solche Untersuchungen, die zum Teil bereits zu der aktuellen Studie beigetragen haben, führen zu einem neuartigen Verständnis von Ladungstransferprozessen, was wiederum neue Solarzellenfunktionen ermöglicht.“

An der Arbeit waren Forscher der Universität Göttingen, des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie, der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld und von DESY beteiligt.

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