Phosphor aus Klärschlamm zurückgewinnen

Kristallisationsverfahren produziert reinen Phosphat-Dünger und spart Kosten

03.03.2017 - Deutschland

Die Stoffströme der kommunalen Kläranlagen in Deutschland bergen ein großes Rückgewinnungspotential, da die Klärschlämme circa 60.000 MgP/a beinhalten; ein Wert, der laut DWA circa 48 Prozent der jährlichen Importe von mineralischem Phosphatdünger entspricht. Bislang gestaltete sich das Recycling jedoch sehr aufwändig und wurde daher noch nicht großtechnisch umgesetzt – obwohl dies aus politischen und ökologischen Gründen durchaus sinnvoll wäre. Die Stadt Neuburg an der Donau hat sich nun entschieden, Phosphor mittels einer Kristallisationsanlage zu recyceln. Das Projekt, für das die GFM Beratende Ingenieure GmbH die Vorplanung übernommen hat, spart 60 Prozent Phosphat aus dem Prozesswasser der kommunalen Kläranlage sowie viel Energie ein und wurde mit dem Abwasser-Innovationspreis 2016 des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz ausgezeichnet. Bis 2018 soll der Bau fertiggestellt sein, der notwendige Reaktor lässt sich dabei ohne Probleme in den regulären Kläranlagenbetrieb integrieren.

„Phosphor wird in Deutschland bisher nur in ganz wenigen Kläranlagen recycelt“, erklärt Dr.-Ing. Ralf Mitsdoerffer, geschäftsführender Gesellschafter bei der GFM Beratende Ingenieure GmbH, die die Planung und Bauleitung für das Projekt übernommen hat. „In einigen Anlagen wird der Klärschlamm in einer Monoverbrennungsanlage verbrannt. Die Asche – in der der Phosphor je nach Verfahren mehr oder weniger gebunden und damit nur teilweise pflanzenverfügbar ist – wird in der Landwirtschaft zur Düngeunterstützung eingesetzt.“ Ein echtes Recycling zu Rein-Phosphor ist jedoch sehr aufwändig und erfolgt daher noch nicht im großtechnischen Maßstab. „Mittelfristig wäre es allerdings sinnvoll, ein entsprechendes Verfahren häufiger einzusetzen – schließlich liegen die meisten Lagerstätten in Konfliktstaaten wie Marokko oder Saudi-Arabien und die Förderung und Weiterverarbeitung ist mit Umweltbelastungen durch Schwermetalle verbunden“, so der Experte.

Prinzipiell gibt es im Bereich der kommunalen Abwasserbehandlung verschiedene Wege, Phosphor zu recyceln, um ein Produkt zu generieren, das landwirtschaftlich als Dünger verwendet oder der Düngemittel- bzw. der Phosphorindustrie zugeführt werden kann. Der Vorteil der Rückgewinnung aus dem Zentratwasser der Schlammentwässerung besteht – verglichen mit der Rückgewinnung aus Faul- oder Klärschlammasche – im deutlich geringeren Energieaufwand. „Dies lässt sich damit begründen, dass im Zentratwasser Phosphor als Orthophosphat in gelöster Form, in Klärschlamm oder Klärschlammasche jedoch in chemisch und biochemisch gebundener Form vorliegt“, erklärt Mitsdoerffer. Darüber hinaus weisen die Produkte des Kristallisationsverfahrens laut einer Studie des Landesamtes für Umwelt (LfU) Bayern eine deutlich höhere Reinheit als die Recyclingprodukte der Klärschlämme und Klärschlammaschen auf, da beispielsweise eine geringere Belastung mit Schwermetallen vorliegt.

Kristallisation an Calcium-Silikat-Hydrat-Phasen

In nahezu jeder Kläranlage mit anaerober Schlammstabilisierung fällt Zentratwasser an, das stark phosphathaltig und daher potenziell für ein Phosphorrecycling geeignet ist. Um die Umwelt zu schonen und das Rückgewinnungspotential der eigenen Kläranlage zu nutzen, hat sich die Stadt Neuburg an der Donau daher entschieden, das P-Kristallisationsverfahren erstmals großtechnisch umzusetzen. Das kommunale Klärwerk, in dem das Vorhaben realisiert wird, ist auf eine sedimentierte BSB5-Fracht von 3.000 kg/d, entsprechend 67.000 EW (Größenklasse 4) ausgelegt und wird als einstufige Belebungsanlage mit anaerober Schlammstabilisierung betrieben. Die weitergehende Stickstoffelimination erfolgt nach dem Verfahren der vorgeschalteten Denitrifikation. Im Jahresmittel fallen täglich circa 120 m3/d Rohschlamm an, der über eine Zentrifuge im Mittel auf 6 m3/d entwässert wird. Das Zentrat – durchschnittlich 114 m3/d – wird dem Zulauf der Kläranlage zugeführt.

Für die Umsetzung des Kristallisationsverfahrens in diesem Klärwerk wurde zunächst anhand von Laborversuchen eine Machbarkeitsstudie zur Nährstoffentfrachtung des Zentratstroms durchgeführt, dann das Verfahren anhand von Pilotanlagen validiert sowie unterschiedliche Konfigurationen hinsichtlich Rückgewinnungs- und Energieeffizienz verglichen. Daraus ergab sich eine Handlungsempfehlung zur Verfahrensanwendung sowie eine Dimensionierung der großtechnischen Anlage, auf deren Basis GFM einen Vorentwurf erarbeitete. „Bei dem in Neuburg geplanten Verfahren werden die in der Wasserphase gelösten Phosphate mittels Kristallisation an Calcium-Silikat-Hydrat-Phasen (CSH) zurückgewonnen“, erklärt Mitsdoerffer. Sobald das CSH-Substrat mit neutralem Wasser beziehungsweise Zentratwasser in Kontakt kommt, reagiert es mit dessen phosphathaltigen Bestandteilen. Nach der Reaktion liegt ein phosphathaltiges Produkt vor, das voraussichtlich sogar direkt als Düngemittel weiterverwendet werden kann.

Kostenersparnis und Vorteile für die Umwelt

Die bisher durchgeführten halbtechnischen Versuche haben gezeigt, dass sich so rund 60 Prozent des im Zentratwasser vorliegenden Phosphors recyceln lassen. Bezogen auf den Gehalt im Kläranlagenzulauf entspricht dies einer Rückgewinnungsrate von bis zu 12 Prozent. Das Kristallisationsprodukt erzielt ausgehend von der LfU-Studie im Vergleich zu Referenzdüngern gute bis sehr gute Düngewirkungen sowie eine gute Pflanzenverfügbarkeit. Darüber hinaus ist beim Phosphor-Recycling mit erheblich geringeren CO2-Emissionen als bei der Gewinnung des Rohphosphates aus natürlichen Lagerstätten zu rechnen. Durch das Recycling vor Ort beziehungsweise die regionale Düngerverwendung entfällt außerdem der CO2-Ausstoß, der beim Transport des Rohstoffes von entfernten Phosphorlagerstätten nach Europa anfallen würde. Das Kristallisationsprodukt hat einen weiteren Vorteil: Phosphordünger aus sedimentären Lagerstätten weisen eine vergleichsweise hohe Konzentration an Uran auf. Durch die Herstellung von Düngemitteln aus dem recycelten Phosphor von Kläranlagen wird die radioaktive Belastung der Ackerböden und die damit einhergehende Kontaminierung von Oberflächen- und Grundwasser reduziert.

Gleichzeitig hat die gesunkene Phosphorkonzentration im Zentratwasser in der Praxis positive Auswirkungen auf den Kläranlagenbetrieb: Zur Phosphorentfernung aus der Flüssigphase ist zum einen – bezogen auf den gesamten Abwasserstrom – ein geringerer Fällmitteleinsatz notwendig, es kommt zu geringeren Überschussschlammmengen und die Entsorgungskosten sinken. Zum anderen wird auch die Anreicherung des Überschusschlamms mit Phosphor verringert, was bei dessen Weiternutzung Vorteile hat. „Derzeit wird der ausgefaulte Klärschlamm der Neuburger Kläranlage als Ersatz-Brennstoff für die Zementklinkerherstellung entsorgt. Phosphor in hohen Konzentrationen im Brennstoff  erhöht den Produktionsaufwand für eine optimale Qualität des Produktes. Ein P-abgereicherter, getrockneter Klärschlamm ist deutlich besser geeignet“, so Mitsdoerffer. Durch den Bau der Phosphorrückgewinnungsanlage ergeben sich in der Kläranlage geringere Entsorgungskosten durch den P-abgereicherten Klärschlamm.

Abwasser-Innovationspreis

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat dieses Projekt der Stadt Neuburg an der Donau mit dem Abwasser-Innovationspreis 2016 ausgezeichnet und unterstützt es mit bis zu 530.000 Euro. „Wir freuen uns sehr, dass das Vorhaben diesen Preis erhalten hat und finanziell gefördert wird“, so Mitsdoerffer. Für die Ingenieure steht die größte Herausforderung noch bevor: die Übertragung der Ergebnisse und Randbedingungen der Versuchs- auf die großtechnische Anlage. Mit der Inbetriebnahme ist 2018 zu rechnen. Das in Neuburg eingesetzte Verfahren zum P-Recycling ist auch für kleinere Kläranlagen einsetzbar und hat somit eine Signalwirkung für andere Kommunen.

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