Wehrhaft gegen aggressiven Sauerstoff
Metalloxid-Nickelschaum-Elektroden in der Wasseraufspaltung
Elvira Eberhardt / Uni Ulm
Sauerstoff-Wasserstoff-Brennstoffzellen sind Energiewandler, die ohne Umweg gespeicherte chemische Energie umweltfreundlich in elektrischen Strom umwandeln. Denn das Endprodukt, das dabei entsteht, ist Wasser. Der elementare Sauerstoff und Wasserstoff, der dabei häufig zum Einsatz kommt, muss allerdings zuerst unter hohem Energieaufwand durch die katalytische Aufspaltung von Wasser gewonnen werden. Und genau das ist alles andere als trivial. Denn den Katalysatoren, die hierbei zum Einsatz kommen, setzen die dabei ablaufenden Redoxreaktionen extrem zu. „Vor allem die Sauerstoff-Entwicklung ist hier ein Problem, weil dieses chemische Element in seiner atomaren Form hochreaktiv und damit sehr aggressiv ist“, so Professor Carsten Streb vom Institut für Anorganische Chemie I an der Universität Ulm. Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus China hat der Chemiker nun ein Verfahren entwickelt, mit dem äußerst robuste Katalysatoren kostengünstig hergestellt werden können, denen dieser oxidative Stress nichts anhaben kann.
Zum Einsatz kommen dabei bestimmte Polyoxometallate (POMs). Diese besonderen Metalloxide sind molekulare Cluster aus so genannten Übergangsmetallen, die über Sauerstoffatome miteinander verbrückt sind und dabei dreidimensionale Netzwerke ausbilden. Aufgrund ihrer hohen Redoxaktivität und ihrer herausragenden Stabilität unter oxidierenden Bedingungen eignen sie sich bestens als Katalysatoren für die Sauerstoffentwicklung. In den reaktiven Zentren dieser Metalloxid-Cluster sind die chemischen Elemente Nickel und Kobalt verbaut. Diese beiden Übergangsmetalle erfüllen in idealer Weise die Voraussetzungen für die Oxidation von Wasser. Das zugesetzte Wolfram, das ebenfalls zur Reihe der Übergangsmetalle gehört, dient als strukturstabilisierendes Element. „Diese sogenannten Dexter-Silverton-Polyoxometallate sind als katalytisch aktive Materialien weitaus kostengünstiger als die ansonsten gebräuchlichen Edelmetalle wie Platin“, sagt Streb. Für den kommerziellen Einsatz sei dies deutlich von Vorteil.
Als Material für die Elektroden verwendeten die Wissenschaftler einen Metall-Schaum aus Nickel, der sich aufgrund seiner hohen Leitfähigkeit und besonderen Oberflächenstruktur bei der Elektrolyse bewährt hat. „Doch wie bringt man das katalytisch aktive POM-Material dazu, mit der Nickel-Schaum-Elektrode eine stabile Verbindung einzugehen?“, umschreibt der Ulmer Doktorand Benjamin Schwarz die materialchemische Ausgangsfrage. Dem deutsch-chinesischen Forscherteam ist es gelungen, über ein einfaches hydrothermales Verfahren die ursprünglich gelösten Polyoxometallate als Mikrokristalle auf der Elektrodenoberfläche abzuscheiden. Die Elektroden werden dafür bei 180 Grad Celsius acht Stunden lang in eine POM-Lösung getaucht. „Unter dem Rasterelektronenmikroskop kann man die POM-Kristalle deutlich erkennen. Diese zeigen wunderbare kristalline Formen und sind fest mit der Elektrodenoberfläche verbunden“, beschreibt Professor Yu-Fei Song. Song leitet an der Bejing University of Chemical Technology das State Key Laboratory of Chemical Resource Engineering und hat mit seinen Doktoranden Wenijing Luo und Jun Hu die hochaufwändigen chemisch-physikalischen Oberflächenanalysen durchgeführt.
Diese Analysen zeigten, dass sowohl die Morphologie also auch die Kristallstruktur des POM-Katalysators nach der Katalyse völlig intakt geblieben sind. Nichts bröckelte ab oder löste sich auf. „Damit konnten wir die herausragende Stabilität im alkalischen Milieu unter oxidativen Bedingungen nachweislich aufzeigen“, sagt Professor Song. Im späteren Vergleich mit ähnlichen Cobalt-basierten Elektroden, die für die Sauerstoffentwicklung eingesetzt werden, zeigte sich, dass die von den Ulmer Wissenschaftlern neu entwickelte NiCo-POM/Ni-Elektrode nicht nur im Hinblick auf ihre elektrochemische Leistung überzeugen konnte, sondern auch Spielräume bietet, um die Reaktivität des Materials auf molekularer Ebene zu steuern. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Kontrolle der Kristallgrößen. „Denn je kleiner die POM-Kristalle sind, desto größer wird die reaktive Oberfläche, an denen diese elektrochemischen Prozesse ablaufen können“, betont der Ulmer Chemieprofessor Carsten Streb.
Und eine weitere Frage lässt die Wissenschaftler nicht los: wie kommt es eigentlich, dass das POM mit der Nickel-Schaum-Elektrode chemisch so fest verbunden ist? Welche Bindungskräfte wirken hier zwischen Metall und Metalloxid? Warum ihr Verfahren zur Immobilisierung des Polyoxometallats auf der Metall-Schaum-Elektrode so gut funktioniert, wissen die Chemiker selbst noch nicht. Die Suche nach Antworten geht also weiter.