Quantenverschränkung ist unverwüstlich

17.05.2017 - Österreich

Einsteins "spukhafte Fernwirkung" bleibt auch im freien Fall und bei hohen Beschleunigungen bestehen. Das konnten Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien in einem neuen Experiment zeigen. Eine Quelle für verschränkte Photonenpaare wurde dabei starken Belastungen ausgesetzt. Die Verschränkung dieser Photonen überstand sowohl den Sturz in einem Fallturm in der Schwerelosigkeit als auch die 30-fache Erdbeschleunigung in einer Zentrifuge. Das Experiment hilft die Quantenmechanik besser zu verstehen und ist für Quantenexperimente im Weltraum von Bedeutung.

Copyright: IQOQI/ÖAW

Die rotierende Zentrifuge in der die verschränkte Photonenquelle auf das 30-fache ihres Gewichts beschleunigt wurde.

Einsteins Relativitätstheorie und die Quantenmechanik sind zwei wichtige Säulen der modernen Physik. Auf dem Weg zur physikalischen "Weltformel" müssen diese beiden Theorien aber miteinander in Einklang gebracht werden. Das ist trotz größter Anstrengungen bisher nicht gelungen, da sich Phänomene beider Theorien nur sehr schwer gleichzeitig beobachten lassen. Ein typisches quantenmechanisches Phänomen ist etwa die Verschränkung: Gemeint ist damit, dass in der Quantenwelt die Messung an einem von zwei Lichtteilchen, sogenannten Photonen, auch den bis dahin undefinierten Zustand des anderen Teilchens festlegt. Hohe Beschleunigungen können hingegen von der Relativitätstheorie beschrieben werden. Moderne Quantentechnologien ermöglichen es nun aber, diese beiden Phänomene vereint zu betrachten: Die Stabilität der quantenmechanischen Verschränkung von Photonenpaaren kann dadurch bei relativistisch relevanten Beschleunigungen getestet werden.

Quantenverschränkung erweist sich als äußerst robust

Dies haben Wissenschaftler des Wiener Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien in einer internationalen Kooperation nun zum ersten Mal systematisch untersucht, wie sie im Fachjournal "Nature Communications" berichten.

Bei einem Experiment konnten sie erstmals zeigen, dass die Verschränkung zwischen Photonen sogar dann überlebt, wenn die Quelle für verschränkte Photonenpaare mitsamt den zugehörigen Detektoren im freien Fall unterwegs ist oder mit bis zu 30-facher Erdschwerkraft beschleunigt wird. Damit haben die Wiener ForscherInnen zugleich experimentell eine Obergrenze festgelegt, ab der es bei einer gleichmäßigen – in diesem Fall maximal angewandten – Beschleunigung zu Verschränkungsverlusten kommen könnte.

Für Quantenexperimente mit Satelliten wichtig

"Diese Experimente sollen nun dabei helfen, Relativitätstheorie und Quantenmechanik in einer gemeinsamen Theorie zu beschreiben", sagt Rupert Ursin, Gruppenleiter am IQOQI der ÖAW. Dass die Quantenverschränkung auch dann erhalten bleibt, wenn ein verschränktes System beschleunigt wird, ist etwa für Quantenexperimente im Weltraum von entscheidender Bedeutung. "Andernfalls könnten Quantenexperimente auf einem Satelliten oder einem beschleunigten Raumschiff nicht, oder nur eingeschränkt, durchgeführt werden", erklärt Matthias Fink, der Erstautor der neuen Studie.

Zwölf Meter Fallhöhe und 30-fache Erdbeschleunigung

Für den Nachweis, dass die Quantenverschränkung äußerst robust ist, montierten der Quantenphysiker Matthias Fink und seine Kollegen eine Quelle für polarisationsverschränkte Photonenpaare in einem Gestell, das dann aus einer Höhe von zwölf Metern fallengelassen wurde, um Schwerelosigkeit während des Falls zu erzielen. Beim zweiten Teil des Versuchs wurde das Gestell dann am Arm einer Zentrifuge fixiert und einer Beschleunigung bis zu 30g, also der 30-fachen Erdbeschleunigung, ausgesetzt. Zum Vergleich: Bei einer Achterbahnfahrt können kurzfristig maximal 6g erreicht werden.

Detektoren, die in dem Gestell angebracht waren, überwachten die Verschränkung zwischen den Photonen während des Fluges. Aus den dabei gemachten Daten konnten die Physiker eine Obergrenze der nachteiligen Auswirkungen auf die Verschränkung, die durch die Beschleunigung der Umgebung verursacht wurden, ableiten. Die Daten zeigten, dass der Qualitätsverlust bei der Verschränkung die zu erwartenden Werte eines Hintergrundrauschens nicht signifikant übersteigt. „Unsere nächste Herausforderung wird sein, den Aufbau wesentlich stabiler zu machen, um weit höheren Belastungen standzuhalten. Damit würde die Aussagekraft des Experimentes weiter steigen“, sagt Matthias Fink.

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