„Wackelndes“ Molekül schüttelt Elektron ab
Neuer Ionisationsweg in molekularem Wasserstoff identifiziert
MPI für Kernphysik
MPI für Kernphysik
Ultrakurze Laserpulse spielen eine Schlüsselrolle für die Kontrolle molekularer Reaktionen, da sie direkt auf die Dynamik der für die chemische Bindung verantwortlichen Elektronen Einfluss nehmen. Die wesentlich schwereren Kerne bewegen sich deutlich langsamer und werden damit nur indirekt beeinflusst. In vielen Fällen ist daher auch die Näherung zulässig, dass sich die räumliche Verteilung der Elektronenhülle an die sich langsam ändernde molekulare Struktur anpasst.
Physiker der Gruppe um Robert Moshammer in der Abteilung von Thomas Pfeifer am Heidelberger MPI für Kernphysik haben nun einen unerwarteten Reaktionsweg identifizieren können, bei welchem obige Näherung nicht mehr gültig ist. Betrachtet wurde die einfache Ionisation des Wasserstoffmoleküls H2 in einem starken Laserfeld, wobei eines der beiden Elektronen das Molekül verlässt. Das verbleibende Molekülion H2+ kann entweder stabil bleiben oder aber in ein Proton (H+) und ein neutrales Wasserstoffatom (H) zerbrechen („dissoziieren“). Die dissoziative Ionisation stellen sich die Wissenschaftler als zweistufigen Prozess vor: Zuerst werden mehrere Photonen aus dem Laserfeld absorbiert, um ein Elektron freizusetzen. Das H2+-Molekülion kann dann durch Absorption eines weiteren Photons in einen nicht mehr gebundenen Zustand angeregt werden und bricht auseinander (Abb. 1 links). Hierbei „weiß“ das freie Elektron nichts von dem nachfolgenden Prozess und daher sollte es sich in beiden Fällen gleich verhalten.
Überraschenderweise ist dies aber nicht der Fall: Abb. 2a zeigt das Spektrum des Elektrons, also wie häufig es mit einer bestimmten Geschwindigkeit – ausgedrückt durch die kinetische Energie – das Molekül verlässt. Im Vergleich finden sich deutlich mehr langsame Elektronen für den Fall, dass das Molekülion gebunden bleibt (blaue Kurve) als wenn es dissoziiert (rote Kurve), während sich für schnelle Elektronen kein Unterschied zeigt. Dies deutet auf einen weiteren Ionisationsmechanismus hin, der langsame Elektronen produziert ohne dass die chemische Bindung aufbricht. Nun ist bekannt, dass sich die Kerne nach der Ionisation nicht mehr im Gleichgewicht befinden und dadurch in Schwingungen gegeneinander versetzt werden – so wie ein Pendel, das plötzlich zur Seite bewegt wird. Dies geschieht auch, wenn das Elektron vom Laserfeld nicht gleich freigesetzt wird, sondern nur einen hochangeregten Zustand erreicht, in welchem es in großem Abstand die Kerne umkreist (Abb. 1 rechts). Jetzt kann Bewegungsenergie der schwingenden Kerne auf das schwach gebundene Elektron übertragen werden und dieses regelrecht „abschütteln“. Dieser Autoionisation genannte Prozess braucht aber Zeit – länger als die Dauer (ca. 25 Femtosekunden = 2,5x10–14 s) eines ultrakurzen Laserpulses.
Diese Eigenschaft haben die Physiker nun für folgenden Trick genutzt, um das Modell zu testen: Sie überlagerten den Laserpuls mit einem weiteren der doppelten Frequenz und erreichen damit, dass das elektrische Feld je nach Einstellung vorzugsweise in die eine oder entgegengesetzte Richtung (links bzw. rechts) weist. Dies wiederum bewirkt eine asymmetrische räumliche Verteilung der freigesetzten Elektronen – ihnen wird bevorzugt die eine bzw. entgegengesetzte Flugrichtung aufgeprägt. Verlässt aber ein Elektron erst nach Abklingen des Laserpulses das Molekül durch Autoionisation, erfährt es diese Asymmetrie nicht.
Das Ergebnis in Abb. 2b zeigt, dass die Asymmetrie im Bereich langsamer Elektronen für dissoziative Ionisation deutlich größer ist, als wenn das Molekül gebunden bleibt. Ein bestimmter Anteil (laut Abb. 2a bis zu 1/4) der Elektronen kann hier also erst zeitlich nach dem Laserpuls freigesetzt worden sein und stammt folglich aus der Autoionisation.