Teilchendiffusion funktioniert anders als bisher angenommen

Quantifizierung hydrodynamischer Effekte beim Partikeltransport erstmals gelungen

06.11.2017 - Deutschland

Der Transport von Partikeln durch Ionenkanäle und Nanoporen funktioniert anders als bisher angenommen. Ein Team um den Augsburger Physiker und NIM-Wissenschaftler Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Hänggi belegt diesen Durchbruch, der zum Überdenken bisheriger Modelle zwingt, mit Simulationen und Experimenten zur Teilchendiffusion in verschiedenen Kanalmodellen.

© Universität Augsburg (IfP)/PNAS

Schematische Darstellung eines gewellten Kanals mit einem darin diffundierenden kugelförmigen Brownschen Kolloidteilchen.

© Universität Augsburg (IfP)/PNAS

Das durch die Zitterbewegung eines diffundierenden Teilchens erzeugte Strömungsfeld variiert in Abhängigkeit davon, ob das Teilchen in offener Umgebung (B) oder an einer Engstelle (C) diffundiert.

© Universität Augsburg (IfP)/PNAS
© Universität Augsburg (IfP)/PNAS

Diffusion ist allgegenwärtig. Ohne sie wären viele alltägliche Prozesse unmöglich. Vor allem für den Transport von sehr kleinen Partikeln spielt Diffusion eine zentrale Rolle. Mit der Erforschung der Brownschen Molekularbewegungen haben Einstein, Sutherland und Smoluchowski vor gut 110 Jahren den Grundstein für alle weitere Diffusionsforschung gelegt – auch für die des Augsburger Physikers Peter Hänggi, der mit seiner Forschungsgruppe jetzt in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) über die erstmals gelungene Einbeziehung hydrodynamischer Effekte in analytische Berechnungen der sogenannten „Brownschen Zitterbewegung“ berichtet.

Der Weg durch einen Kanal

Auf verschiedensten Felder von Physik und Chemie, insbesondere in der Biophysik ist die Frage, wie der Transport kleinster Teilchen durch natürliche oder künstliche Ionenkanäle und Nanoporen funktioniert, von größtem Interesse. All solchen Systemen ist gemeinsam, dass sie begrenzt sind, dass die entsprechenden Grenzflächen nie ganz glatt sind und dadurch auf molekularer Ebene den zick-zack Weg der Teilchen durch die Ionenkanäle oder Nanoporen, die zufällige Brownsche Zitterbewegung also, beeinflussen.

Entropische und hydrodynamische Wechselwirkungen

Da sind zum einen direkte Wechselwirkungen der Mikropartikel mit der Umgrenzung und der umgebenden Flüssigkeit, die – seien sie nun anziehender oder abstoßender Natur – die Transportgeschwindigkeit verändern. Zum anderen steht diesen hydrodynamischen Wechselwirkungen der sehr begrenzte Platz für Bewegungen entlang der Flussrichtung gegenüber, der den Weg und die Bewegung vorgibt und damit entropische Effekte auslöst. Nur diese entropischen Effekte konnten bislang in analytische Berechnungen mit einbezogen werden, ohne allerdings als solche allein das volle System widerspiegeln zu können, weil hier die hydrodynamischen Effekte unberücksichtigt bleiben. Letztere quantitativ zu beschreiben, galt bislang als beinahe unmöglich, da die allgegenwärtigen anziehenden und abstoßenden Wechselwirkungen bei unebenen Oberflächen extrem schwierig zu modellieren sind.

Zeit und Ort sind entscheidend

Die Betrachtung und Quantifizierung dieser hydrodynamischen Effekte sowohl in theoretischen Modellen als auch in praktischen Versuchen ist nun erstmals dem Augsburger Physiker Peter Hänggi und der Forschergruppe gelungen. Er und seine Forschergruppe am Augsburger Lehrstuhl für Theoretische Physik I konnten die mittlere Diffusionsgeschwindigkeit kugelförmiger Partikel bestimmten, indem sie diese in Wasser durch einen welligen Kanal diffundieren ließen.

Deutlich längere Diffusionszeit

Die dabei erzielten Ergebnisse zeigen, dass bisherige Modelle neu überdacht werden müssen. „Wir konnten zwar“, so Hänggi, „die entropische Theorie für Kanäle, deren Durchmesser deutlich größer ist als der der Partikel, bestätigen, zugleich aber die bisherigen Simulationen für enge Kanäle widerlegen. Denn hier hat der hydrodynamische Effekt entscheidenden Einfluss auf die Transportgeschwindigkeit von Teilchen. Es kann zu einer mittleren Diffusionszeit kommen, die etwa 40 Prozent länger ist als diejenige, die auf Grundlage der entropischen Theorie vorhergesagt wird. Wenn man allerdings als Maß für die Beweglichkeit der Teilchen den Stokes-Einsteinschen Diffusionskoeffizienten ersetzt durch einen experimentell bestimmten und kompliziert ortsabhängigen Diffusionskoeffizienten, der die komplexen hydrodynamischen Wechselwirkungen der unebenen Oberfläche berücksichtigt, dann lässt sich die entropische Theorie erstaunlicherweise in guter Übereinstimmung mit diesen experimentellen Daten auf enge Kanäle anwenden.“

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Diese Produkte könnten Sie interessieren

NanoStandard™ / MicroStandard™

NanoStandard™ / MicroStandard™ von Applied Microspheres

Hochgradig gleichmäßige Polymerpartikelgrößenstandards mit rückverfolgbaren mittleren Durchmessern

Rückführbar sowohl auf das internationale Einheitensystem (SI) als auch auf NIST

Partikelgrößenstandards
DynaPro NanoStar II

DynaPro NanoStar II von Wyatt Technology

NanoStar II: DLS und SLS mit Touch-Bedienung

Größe, Partikelkonzentration und mehr für Proteine, Viren und andere Biomoleküle

Loading...

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...