Teilchendiffusion funktioniert anders als bisher angenommen
Quantifizierung hydrodynamischer Effekte beim Partikeltransport erstmals gelungen
© Universität Augsburg (IfP)/PNAS
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Diffusion ist allgegenwärtig. Ohne sie wären viele alltägliche Prozesse unmöglich. Vor allem für den Transport von sehr kleinen Partikeln spielt Diffusion eine zentrale Rolle. Mit der Erforschung der Brownschen Molekularbewegungen haben Einstein, Sutherland und Smoluchowski vor gut 110 Jahren den Grundstein für alle weitere Diffusionsforschung gelegt – auch für die des Augsburger Physikers Peter Hänggi, der mit seiner Forschungsgruppe jetzt in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) über die erstmals gelungene Einbeziehung hydrodynamischer Effekte in analytische Berechnungen der sogenannten „Brownschen Zitterbewegung“ berichtet.
Der Weg durch einen Kanal
Auf verschiedensten Felder von Physik und Chemie, insbesondere in der Biophysik ist die Frage, wie der Transport kleinster Teilchen durch natürliche oder künstliche Ionenkanäle und Nanoporen funktioniert, von größtem Interesse. All solchen Systemen ist gemeinsam, dass sie begrenzt sind, dass die entsprechenden Grenzflächen nie ganz glatt sind und dadurch auf molekularer Ebene den zick-zack Weg der Teilchen durch die Ionenkanäle oder Nanoporen, die zufällige Brownsche Zitterbewegung also, beeinflussen.
Entropische und hydrodynamische Wechselwirkungen
Da sind zum einen direkte Wechselwirkungen der Mikropartikel mit der Umgrenzung und der umgebenden Flüssigkeit, die – seien sie nun anziehender oder abstoßender Natur – die Transportgeschwindigkeit verändern. Zum anderen steht diesen hydrodynamischen Wechselwirkungen der sehr begrenzte Platz für Bewegungen entlang der Flussrichtung gegenüber, der den Weg und die Bewegung vorgibt und damit entropische Effekte auslöst. Nur diese entropischen Effekte konnten bislang in analytische Berechnungen mit einbezogen werden, ohne allerdings als solche allein das volle System widerspiegeln zu können, weil hier die hydrodynamischen Effekte unberücksichtigt bleiben. Letztere quantitativ zu beschreiben, galt bislang als beinahe unmöglich, da die allgegenwärtigen anziehenden und abstoßenden Wechselwirkungen bei unebenen Oberflächen extrem schwierig zu modellieren sind.
Zeit und Ort sind entscheidend
Die Betrachtung und Quantifizierung dieser hydrodynamischen Effekte sowohl in theoretischen Modellen als auch in praktischen Versuchen ist nun erstmals dem Augsburger Physiker Peter Hänggi und der Forschergruppe gelungen. Er und seine Forschergruppe am Augsburger Lehrstuhl für Theoretische Physik I konnten die mittlere Diffusionsgeschwindigkeit kugelförmiger Partikel bestimmten, indem sie diese in Wasser durch einen welligen Kanal diffundieren ließen.
Deutlich längere Diffusionszeit
Die dabei erzielten Ergebnisse zeigen, dass bisherige Modelle neu überdacht werden müssen. „Wir konnten zwar“, so Hänggi, „die entropische Theorie für Kanäle, deren Durchmesser deutlich größer ist als der der Partikel, bestätigen, zugleich aber die bisherigen Simulationen für enge Kanäle widerlegen. Denn hier hat der hydrodynamische Effekt entscheidenden Einfluss auf die Transportgeschwindigkeit von Teilchen. Es kann zu einer mittleren Diffusionszeit kommen, die etwa 40 Prozent länger ist als diejenige, die auf Grundlage der entropischen Theorie vorhergesagt wird. Wenn man allerdings als Maß für die Beweglichkeit der Teilchen den Stokes-Einsteinschen Diffusionskoeffizienten ersetzt durch einen experimentell bestimmten und kompliziert ortsabhängigen Diffusionskoeffizienten, der die komplexen hydrodynamischen Wechselwirkungen der unebenen Oberfläche berücksichtigt, dann lässt sich die entropische Theorie erstaunlicherweise in guter Übereinstimmung mit diesen experimentellen Daten auf enge Kanäle anwenden.“