Klimafreundliche Architektur durch natürliche Klappmechanismen
C. Zollfrank/ TUM
Weltweit verursacht die Nutzung von Gebäuden 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs. Rund die Hälfte davon wird für die Klimatisierung aufgewandt. Zwar kann durch Jalousien und andere bewegliche Fassadenelemente die Licht- und Wärmedurchlässigkeit der Gebäudehülle optimiert werden, doch verbrauchen deren Elektromotoren ihrerseits Energie, um diese Systeme zu bewegen.
„Eine nachhaltige Architektur braucht dringend neue Werkstoffe, wenn sie künftig den hohen Anforderungen von Energieeffizienz und Klimaschutz gerecht werden will", sagt der Chemiker, Forstwissenschaftler und Materialforscher Professor Cordt Zollfrank. Am Lehrstuhl für Biogene Polymere am TUM Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit der TUM erforscht er die Grundlagen dafür. Sein Ziel ist es, Antriebselemente und Aktuatoren zu entwickeln, die ohne Energieverbrauch Signale in mechanische Bewegung umwandeln.
Gemeinsam mit Architekten, Bauingenieuren und Botanikern hat er zukunftsweisende Wege gefunden, wie sich mithilfe natürlicher Mechanismen die Energiebilanz von Gebäuden verbessern lässt. In einem gemeinsamen Artikel berichtet das Team über den Stand der Forschung auf diesem Gebiet und zeigt die Möglichkeiten der Modelle aus der Pflanzenwelt auf.
Das Material ersetzt den Motor
Reife Kiefern- und Tannenzapfen schließen bei Regen ihre Schuppen, um den Samen zu schützen. Ist es dagegen trocken, öffnen sie sich und geben ihn frei. Bei dieser Bewegung spielt die Zusammensetzung der Zellwände eine wichtige Rolle. Sie setzen sich vor allem aus dem wenig quellfähigen Lignin und der gut quellenden Cellulose zusammen. Wegen der unterschiedlichen Ausrichtung der Cellulosefibrillen in den Geweben der Schuppen, krümmen sich diese bei hoher Luftfeuchtigkeit nach innen und bei Trockenheit nach außen.
„Das Spannende daran ist, dass die Energie für diese Bewegungen nicht aus Stoffwechselvorgängen stammt, sondern allein auf physikalischen Mechanismen und Materialeigenschaften beruht", sagt Professor Zollfrank. Durch die Kombination von Materialien mit unterschiedlichem Quellvermögen ist es ihm bereits gelungen, solche biomimetischen Antriebselemente, genannt Aktuatoren zu entwickeln. Auch diese bestehen aus zwei Schichten von Materialien, die ein unterschiedliches Quellungsverhalten zeigen und verhalten sich damit ähnlich wie das Vorbild aus der Natur.
Physikalische Grenzen überwinden
Jedoch bevor die Architektur sie in großem Stil einsetzen kann, müssen die Materialforscher und -forscherinnen noch ein Problem lösen, das mit der Vergrößerung zusammenhängt: Je größer die Zelle oder das Gewebe, desto länger braucht das Wasser, um durch ihre Poren nach innen zu dringen. Was bei einem Kiefernzapfen in zwei Stunden geht, würde bei einem Gebäude mehrere Jahre dauern. Um die Hydraulik von Kiefernzapfen für Anwendungen in der Architektur zu übertragen, muss folglich eine physikalische Grenze überwunden werden.
Alles eine Frage der richtigen Verbindung
Dazu schlägt Zollfrank eine Art Umstrukturierungsverfahren auf der Materialebene vor. „Wir entkoppeln die Gewebegröße und bringen das Ganze auf Größe der einzelnen Zelle", erklärt er. Durch geschickte Querverbindungen entsteht so ein lockerer Zellverband, dessen einzelne Bestandteile sich dennoch wie einzelne Zellen verhalten und sehr schnell Wasser aufnehmen.
„Die Frage ist nun, wie solche Querverbindungen möglichst effizient gestalten und wie in beliebiger Größe hinbekommen", sagt Zollfrank. Für spätere praktische Anwendungen kann er sich aber auch poröse Polymermaterialien vorstellen, deren Poren mit einer extrem wasseranziehenden Flüssigkeit (Hydrogel) gefüllt sind. Daran arbeiten die Materialforscher bereits. Welche Lösung letztlich ihren Weg in die Architektur der Zukunft finden wird, ist damit nur noch eine Zeitfrage.