Stabile Quantenbits
Quantengatter als Grundelement für den Quantencomputer
Universität Konstanz
Bis der erste Quantencomputer in den Kaufhäusern stehen wird, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Schon heute zeichnet sich aber ab, dass mit dem Quantencomputer ein großer Entwicklungssprung der Computertechnologie ansteht. Der Quantenrechner wird leistungsfähiger sein und Probleme lösen können, an denen klassische Computer scheitern. Allerdings reagiert der Quantencomputer weitaus empfindlicher auf Störungen von außen als ein klassischer Rechner. Ein vorrangiges Ziel der Forschung ist also, stabile „Quantengatter“ – so heißt das grundlegende „Schaltsystem“ des Quantencomputers – zu schaffen. Wissenschaftlern der Universität Konstanz, der Princeton University und der University of Maryland ist es nun gelungen, stabile Quantengatter für Zwei-Quantenbit-Systeme zu erstellen. Ihr Quantengatter nutzt einzelne Silicium-Elektronen als Informationsspeicher („Quantenbit“) und kann die Interaktion von zwei Quantenbits präzise steuern und auslesen. Damit ist das Quantengatter in der Lage, alle notwendigen Grundoperationen des Quantenrechners zu vollziehen.
Vom Elektron zum Quantenbit
So wie ein klassischer Digitalrechner mit dem „Bit“ die Zustände Null und Eins als Grundeinheit aller Rechenprozesse verwendet, so braucht auch ein Quantencomputer eine grundlegende Speichereinheit, das Quantenbit. Dieses verfügt aber neben der Null und der Eins über weitere Zustände und ist daher sehr viel komplexer in seiner Umsetzung als ein einfaches Digitalsystem. In der Forschung gibt es mehrere Ideen, wie ein Quantenbit technisch realisiert werden könnte, beispielsweise über Ionen oder supraleitende Systeme. Die Forscher aus Konstanz, Princeton und Maryland nutzen hingegen den Elektronenspin im Halbleitermaterial Silicium als Grundlage des Quantenbits, also den Eigendrehimpuls eines einzelnen Elektrons. Die Drehrichtung des Elektrons entspricht der Null und Eins des digitalen Bit, wobei der genaue Quantenzustand des Elektrons weitere Information verkörpern kann, die über die bloße Null und Eins hinausgeht.
Eine erste Leistung der Forscher war daher, aus den Milliarden von Atomen eines Silicium-Stücks ein einzelnes Elektron herauszulösen. „Das ist eine extreme Leistung, die da von unseren Kollegen aus Princeton vollbracht wurde“, schildert der Konstanzer Physiker Prof. Dr. Guido Burkard, der die theoretische Forschung in Konstanz koordinierte. Die Forscher nutzen eine Kombination aus elektromagnetischer Anziehung und Abstoßung, um ein einzelnes Elektron aus dem Elektronenverbund zu separieren. Die herausgelösten Elektronen werden anschließend punktgenau aufgereiht und jeweils in eine Art „Mulde“ eingebettet, wo sie in einem Schwebezustand gehalten werden.
Die nächste Herausforderung war, ein System zu entwickeln, mit dem der Drehimpuls der einzelnen Elektronen kontrolliert werden kann. Die Konstanzer Physiker um Guido Burkard und Maximilian Russ haben hierfür ein Verfahren entwickelt: An jedes Elektron wird jeweils eine Nano-Elektrode angelegt. Mittels eines sogenannten Magnetfeldgradienten können die Physiker ein ortsabhängiges Magnetfeld schaffen, mit dem sich die Elektronen einzeln ansteuern lassen. Die Forscher können dadurch den Drehimpuls der Elektronen steuern. Sie haben damit stabile Ein-Quantenbit-Systeme geschaffen, mit denen Information in Form von Elektronspins gespeichert und ausgelesen werden kann.
Der Schritt zum Zwei-Quantenbit-System
Ein Quantenbit allein reicht jedoch noch nicht aus, um das grundlegende Schaltsystem eines Quantencomputers zu erzeugen – hierfür sind zwei Quantenbits nötig. Der entscheidende Schritt zum Zwei-Quantenbit-System bestand für die Konstanzer Forscher darin, die Zustände zweier Elektronen miteinander zu koppeln. Durch diese Verknüpfung lassen sich basale Schaltsysteme konstruieren, mit denen alle Grundoperationen des Quantenrechners ausgeführt werden können. Beispielsweise lässt sich das System so programmieren, dass sich ein Elektron nur genau dann dreht, wenn sein benachbartes Elektron einen Spin in eine vorherbestimmte Richtung aufweist.
Die Konstanzer Wissenschaftler mussten folglich ein stabiles System schaffen, um die Spins zweier einzelner Elektronen miteinander zu verknüpfen. „Das war der wichtigste und schwierigste Teil unserer Arbeit“, erzählt Guido Burkard, der das Verfahren gemeinsam mit Maximilian Russ, einem Mitarbeiter seiner Arbeitsgruppe, entwarf und plante. Sie entwickelten ein Schaltsystem, das die Drehimpulse von zwei Elektronen in gegenseitiger Abhängigkeit koordiniert. Zwischen den beiden „Mulden“, in denen die Silicium-Elektronen schweben, wird eine weitere Nano-Elektrode angebracht. Diese steuert die Schaltung der beiden Elektronenspins. Damit gelang es den Physikern, eine stabile und funktionsfähige Grundrecheneinheit für einen Quantencomputer zu realisieren. Die Fehlersicherheit liegt bei über 99 Prozent beim einzelnen Quantenbit und bislang rund 80 Prozent bei der Interaktion zweier Quantenbits – wesentlich stabiler und präziser als bisherige Versuche.
Silicium – ein „ruhiges Material“
Ausgangsmaterial des Quantengatters ist Silicium. „Ein magnetisch sehr ruhiges Material mit einer geringen Anzahl eigener Kernspins“, fasst Guido Burkard die Vorteile von Silicium zusammen. Wichtig bei dem gewählten Material ist, dass seine Atomkerne nicht zu viele Spins, das heißt Eigendrehimpulse, mit sich bringen, welche die Quantenbits stören könnten. Silicium weist mit einem Anteil von rund fünf Prozent eine extrem niedrige Spin-Aktivität der Atomkerne auf und ist daher in besonderem Maße geeignet. Ein weiterer Vorteil: Silicium ist das Standardmaterial der Halbleitertechnologie und entsprechend gut erforscht, so dass die Wissenschaftler von langjährigen Erfahrungen mit dem Material profitieren.