Pflanzliche "Staubsauger" ziehen Schwermetalle aus dem Boden
Hallenser Wissenschaftler suchen nach neuen Wegen der Säuberung verseuchter Böden
Arabidopsis halleri ist eine enge Verwandte der genetischen Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Man findet Hallerie auf mittelalterlichen Bergbauhalden im Harz. Im Gegensatz zu ihrer wohlerforschten "Schwester" Thaliana toleriert und speichert Hallerie Cadmium und auch Zink. In ihrer genetischen Information sind die beiden Arten jedoch weitgehend identisch, d.h. Hallerie besitzt keine spezielle Luxusausstattung an Toleranzgenen. Die Ursachen für diese Unterschiede in der Fitness sind eher quantitativer Natur. Beim Aktivitätsvergleich mehrerer tausend Gene fanden die Hallenser Wissenschaftler, dass in der metalltoleranten Halleri etwa 20 Gene stärker angeschaltet werden als in Thaliana. Das heißt: Innerhalb der Pflanzenzellen werden spezielle Eiweiße, die für die Schwermetalltoleranz offenbar bedeutsam sind, in viel größeren Mengen hergestellt. Einige dieser Gene tragen u.a. die Information von Eiweißen, die an der Herstellung bestimmter Metalltransporter beteiligt sind. Andere der stärker aktivierten DNS-Abschnitte sind in ihrer Funktion noch gänzlich unbekannt. Deren Aufklärung ist die nächste zu nehmende Hürde für Clemens und Kollegen.
Mit dem Wissen um die Funktion der Gene könnte man schnell wachsende Pflanzen gentechnisch derart verändern, dass sie besonders viel der toxischen Schwermetalle in ihren Blättern speichern. Diese Pflanzen würde man auf den verseuchten Böden aussähen und nach der Wachstumsphase einfach abernten. Mit ihnen ein Großteil der giftigen Stoffe. Diese Form der Dekontamination wird in Fachkreisen Phytoremediation genannt. Nach dem Verbrennen der abgeernteten Pflanzen könnte man die Schwermetalle in hochkomprimierter Form deponieren. (Bisher löst man das Problem, indem man den verseuchten Boden etwa einen Meter tief abträgt und im Ganzen einlagert.)
Zweitens gilt es Pflanzen zu "erschaffen", die besonders wenig der toxischen Verbindungen aufnehmen. Dazu gehört u.a. Tabak, der in gewissen Mengen Cadmium speichert. Cadmium schädigt Lungen und Nieren und gilt als potentiell krebserregend. Der Konsum von etwa 35 Zigaretten am Tag genügt, um die von der WHO vorgeschriebenen Grenzwerte an aufgenommenem Cadmium zu erreichen. Andere Arbeitsgruppen, die Cadmiumtoleranz bei Tabak untersuchen, erhalten daher einen Teil ihrer Forschungsgelder vom Tabakkonzern Philipp Morris.
Eine dritte praktische Anwendung ist die Anreicherung von lebenswichtigen Metallen in Kulturpflanzen. Eisenmangel stellt besonders für die dritte Welt ein ernstes Problem dar, weil Reis nur ganz wenig davon speichert. Verschlimmernd kommt hinzu, dass Reis auch Cadmium enthält. Da Eisen und Cadmium im Darm durch die gleichen Mechanismen resorbiert werden, fällt eine gewisse Konzentration an Cadmium im Reis viel schwerer ins Gewicht als dieselbe Menge des toxischen Metalls in einer anderen Frucht; durch das Fehlen des konkurrierenden Eisens gelangt beim Verzehr von Reis viel mehr Cadmium ins Blut. Theoretisch sollten deshalb die Grenzwerte an Cadmiumkonzentrationen für Reisäcker viel niedriger liegen als für Gerstenfelder. Jüngsten Schätzungen zufolge müssten demnach allein in Japan etwa 500.000 Hektar Reisanbaufläche "cadmiumgereinigt" werden.
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