BPI verlangt von Bundesregierung Verzicht auf Arzneimittelpositivliste

23.01.2003

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hat die Bundesregierung aufgefordert, auf das geplante Arzneimittel-Positivlisten-Gesetz zu verzichten. Bei einer Pressekonferenz erhob der Verband heute in Berlin schwere juristische, medizinisch-pharmazeutische und ökonomische Einwände gegen den vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Positivlistenentwurf. Der Bundesregierung warf der Verband vor, Kommissionen über große Reformen beraten zu lassen, und selbst bereits "in gewohnter dirigistischer Manier" Fakten zu schaffen.

Wie BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp berichtete, hat ein vom BPI in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zum geplanten Positivlisten-Gesetz ergeben, dass die vorgesehene Einführung eines Arzneimittel-Positivlistengesetzes durch die Bundesregierung verfassungswidrig sei. So würden die Mitwirkungsrechte des Bundesrates entgegen den Bestimmungen des Grundgesetz-Artikels 80 umgangen. Das Zustimmungsrecht des Bundesrates werde gegen seinen Willen ausgehebelt. Die Zustimmungsbedürftigkeit resultiert laut Rechtsgutachten daraus, dass das Positivlisten-Gesetz formal und inhaltlich ein Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches V (SGB V) sei. Da dieses Gesetzeswerk mit der Zustimmung der Länderkammer verabschiedet worden sei, müssten auch Änderungsgesetze zwingend dem Bundesrat zur Entscheidung vorgelegt werden.

Die Positivliste grenzt nach den Worten des BPI-Vorsitzenden Dr. Bernd Wegener Arzneimittel aus, engt künstlich den Markt ein und verzerrt damit Wettbewerb. Sie führt zu einer Verschlechterung der Qualität und zu Lücken in der notwendigen Patientenversorgung, greift in die Therapiehoheit der Ärzte ein und ist überdies unsozial. Wenn Patienten vertraute Medikamente nicht mehr verschrieben bekommen, müssen sie diese aus eigener Tasche bezahlen. Wegener: "Die Alternative ist, dass der Arzt dann ein unnötig starkes und teureres Medikament verschreibt, das erstattet wird. Das wiederum treibt dann die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung weiter in Höhe."

Auf medizinisch-pharmazeutische Mängel der Liste ging Wegener am Beispiel von Menschen mit chronischen Entzündungen der Bronchien, mit Osteoporose und mit Hauterkrankungen ein. "In allen diesen Fällen werden Patienten nach Einführung einer Positivliste nicht mehr angemessen versorgt werden können. Für den Einzelnen bedeutet das eine gravierende Einschränkung der Lebensqualität", erklärte Wegener. Weil viele bewährte und günstige Medikamente nicht in der Positivliste aufgeführt seien und die Ärzte deshalb auf teurere Präparate ausweichen müssten, hätten die gesetzlichen Krankenversicherungen mit Mehrausgaben in Höhe von 900 Millionen Euro im Jahr zu rechnen.

Für die Pharmaindustrie erhöhe eine Positivliste das unternehmerische Risiko, betonte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Einer Umfrage unter BPI-Mitgliedsunternehmen zufolge, würde die Liste Umsatzeinbußen in Höhe von durchschnittlich 25 Prozent nach sich ziehen. Bis zu 20 Prozent der Arbeitsplätze in den BPI-Unternehmen sind danach gefährdet: 15.000 Stellen. Insbesondere kleiner Unternehmen seien in ihrer Existenz bedroht, sagte der BPI-Hauptgeschäftsführer, weil sie ihre Verluste in einzelnen Produktgruppen nicht so leicht in anderen Bereichen ihres Produktportfolios kompensieren können. Fahrenkamp: "Es ist aus unternehmerischer Sicht nicht mehr nachvollziehbar, in welchem Maße der Staat in einer angeblich marktwirtschaftlichen Ordnung in den Arzneimittelbereich eingreift: Festbeträge, Negativliste, Aut-idem-Regelung, Beitragssatzsicherungsgesetz und jetzt vielleicht noch die Positivliste - jeder einzelne dieser dirigistischen Eingriffe trägt zum Abwürgen des Pharmastandortes Deutschland bei."

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