Mikroorganismen bewirken marine Stickstoffdüngung mit globaler Bedeutung
Unbekannter Abbauprozess von stickstoffhaltigen Nährstoffen im Schwarzen Meer entdeckt
Jeder Hobbygärtner kennt das Problem: Ohne Stickstoffdüngung wird es schwierig mit der Blumenpracht. Düngt man zuviel, hat man auch Probleme. Das gilt auch für die "Blumen des Meeres", die Algen. Mikroskopisch kleine Algen (Phytoplankton) spielen für das globale Ökosystem eine wichtige Rolle, da sie mit Hilfe der Photosynthese das klimabeeinflussende Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entfernen. Zum Wachsen brauchen sie allerdings wie ihre Vettern an Land auch stickstoffhaltige Nährstoffe wie Ammonium. Diese Nährstoffe sind, im Gegensatz zu CO2, nur sehr begrenzt verfügbar. Je höher der Nährstoffgehalt, desto mehr Algen können wachsen und CO2 fixieren.
Der Nährstoffgehalt im Ozean kann so indirekt die Menge an CO2 und damit das Klima beeinflussen. Will man also die heutige Entwicklung des Klimas genauer verstehen, gilt es zunächst den Stickstoffkreislauf im Ozean besser zu begreifen. Der Stickstoffhaushalt wird bestimmt durch die Mengen und die Geschwindigkeiten, mit der Stickstoff in Form von Nitrat, Nitrit, Ammonium und anderen anorganischen Verbindungen gespeichert (fixiert) oder umgekehrt - als Stickstoffgas freigesetzt (Denitrifikation). Bisher glaubte man, von den Faktoren, die den Stickstoffhaushalt im Ozean bestimmen, ein klares Bild zu haben. Die Ergebnisse der Wissenschaftler vom Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, der Delft Universität, dem königlich-niederländischem Institut für Meeresforschung (NIOZ) und der Universität Nimwegen stellen dieses Bild jedoch in Frage.
Bisher hielt man die Denitrifikation für den einzig relevanten Prozess, der die stickstoffhaltigen Nährstoffe im Ozean vermindert. Im ersten Schritt oxidieren Mikroorganismen das Ammonium mit Sauerstoff über Nitrit zu Nitrat, das dann in der Denitrifikation schließlich als gasförmiger atmosphärischer Stickstoff in die Atmosphäre geht. Durch diesen Abbau von Nährstoffen in Auftriebsgebieten und Sedimenten glaubte man, die Mengen an freigesetztem atmosphärischen Stickstoff zum größten Teil erklären zu können. Doch die jetzt im Schwarzen Meer gefundenen Bakterien sind in der Lage, Ammonium ohne die oben beschriebenen Umwege direkt zu oxidieren.
Bereits vor mehr als dreißig Jahren vermuteten Meeresforscher, dass Ammonium auch unter sauerstofffreien (anoxischen) Bedingungen konsumiert wird. Doch erst vor wenigen Jahren hat man Lebewesen entdeckt, die dieses Kunststück tatsächlich fertig bringen - in Kläranlagen. Diese Anammox-Mikroorganismen werden in Zukunft eine wichtige Rolle beim Betrieb moderner Kläranlagen spielen. Die Betreiber können dann auf den teuren Einsatz von Sauerstoffgas verzichten, denn die genügsamen Bakterien erledigen die notwendige Umsetzung von Ammonium zu Stickstoff mit Nitrat. Dass es aber marine Verwandte dieser Bakterien geben könnte, die sogar unser Klima und das Ökosystem Meer in nachhaltiger Weise beeinflussen, hat niemand geglaubt, da die Kläranlagen-Bakterien nur sehr langsam wachsen und damit im Meer keine tragende Rolle spielen sollten.
Zählt man die Anammox-Bakterien in einer Meerwasserprobe, zeigt eine einfache Berechnung, dass es im Schwarzen Meer genügend Anammox-Bakterien gibt, um den beobachteten Ammonium-Abbau zu atmosphärischem Stickstoff zu erklären. Tatsächlich ist Anammox vermutlich der wichtigste Abbauprozess für stickstoffhaltige Nährstoffe im Schwarzen Meer. Da es in den Böden der Weltmeere ähnliche Bedingungen wie im Schwarzen Meeres gibt, liegt die Vermutung nahe, dass Anammox auf globaler Ebene eine bisher ungeahnte, wichtige Bedeutung für den Stickstoffkreislauf und die damit verbundenen Umweltbedingungen hat.
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