Nanotechnologie: Brownsche Motoren als molekulare Siebe
Neues Verfahren, das mit hoher Effizienz mikroskopisch kleine Objekte transportieren und trennen kann
Im Mikrokosmos ist der Zufall allgegenwärtig. So führen Staubkörnchen in einer Flüssigkeit eine Zitterbewegung aus, die über einen längeren Zeitraum betrachtet völlig regellos und chaotisch ist. Diese Brownsche Bewegung wird durch zufällige Stöße der Teilchen mit den Molekülen der Flüssigkeit verursacht. Seit mehr als drei Jahrzehnten versucht man deshalb, so genannte Brownsche Motoren zu realisieren, die diese Wärmeenergie in mechanische Arbeit umwandeln. Man benutzt dazu ein aus der Technik von Ratschenschraubenziehern oder sich automatisch aufziehenden Armbanduhren bekanntes Prinzip, bei dem ein asymmetrischer Sperrhaken die Bewegung in eine Richtung erlaubt und in die andere verbietet.
Doch im Bereich von wenigen Mikrometern muss das Prinzip Sperrhaken auf andere Weise umgesetzt werden. Die Natur hat für dieses Problem in vielen biologischen Systemen, wie dem interzellulären Transport, Lösungen gefunden. Konkret wird die Brownsche Bewegung durch asymmetrisch angeordnete Ladungsverteilungen, die zeitlich variieren, überlagert. Mit diesem Trick gelingt es, die ungerichtete Teilchenfluktuation in eine Richtung zu unterdrücken und auf diese Weise eine gerichtete Bewegung von Partikeln zu ermöglichen. Brownsche Motoren erzeugen also keine Bewegung, sondern verhindern nur, dass sich die Teilchen zurück bewegen.
Auch andere sägezahnförmige Potentialverläufe sollten diese Gleichrichtung zeigen. Einen solchen Mechanismus haben sich die Forscher am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle/Saale zu eigen gemacht und ein neues Verfahren entwickelt, bei dem eine gigantische Zahl von Drift-Ratschen gleichzeitig wirken. Dazu ätzten sie in eine Siliziumscheibe mehr als eine Million identische Poren in einem photo-elektrochemischen Prozess, der sehr große Modulationen des Porendurchmessers erlaubt. Die Poren haben ein sägezahnförmiges Profil, dessen Durchmesser ändert sich periodisch mit der Porentiefe . Diese siebartige Membran trennt zwei Behälter, die mit Wasser und darin enthaltenen mikroskopisch kleinen Teilchen gefüllt sind. Für ihre Experimente benutzen die Forscher monodisperse Latexkügelchen, die mit einem Farbstoff markiert sind. Die Gesamtzahl der Teilchen im oberen Behälter wird mit Photolumineszenz bestimmt. Befindet sich das Wasser in Ruhe, fluktuieren die Teilchen regellos in alle Richtungen und die Teilchenzahl in beiden Behältern bleibt konstant.
Wird dann das Wasser mit den Partikeln periodisch (40 Hz) durch die asymmetrischen Poren hin und her bewegt, treten ganz neue Effekte auf. Die besondere Kanalform erzwingt ein asymmetrisches ratschenförmiges - Strömungsprofil, das ständig seinen Betrag und seine Richtung ändert und mit den mikroskopischen Teilchen wechselwirkt. Während sich das Wasser - im zeitlichen Mittel über eine Periode - nicht bewegt, erfahren die Teilchen einen Nettotransport. Die Max-Planck-Forscher wiesen nach, dass die Überlagerung der thermischen Fluktuationen mit einer periodischen Störung in asymmetrischen Kanälen einen systematischen Teilchendrift generiert.
Dieses System, das scheinbar verlustfrei Wärmeenergie in mechanische Arbeit umformt, ist jedoch kein perpetuum mobile. Denn das Kunststück funktioniert nur dann, wenn den Brownschen Motoren Energie von außen - über die periodische Störung des Wasser-Teilchen-Systems - zugeführt wird. Fernab des Gleichgewichts ist der zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nicht mehr anwendbar. Erstaunlich bleibt der Transport der Teilchen trotzdem denn anders als bei herkömmlichen Motoren sind für eine gerichtete Bewegung weder eine Nettokraft noch ein chemisches Konzentrationsgefälle oder ein Temperaturgradient erforderlich.
In einem zweiten Experiment konnten die Forscher beobachten, wie die Amplitude der Oszillationen die Transportrichtung der Teilchen beeinflusst. Die Amplitude dieser Oszillation ist proportional zum angelegten Druck. Bei kleinen Amplituden driften die Teilchen zum kurzen Ende der Modulation in den Poren. Bei großen Amplituden erfolgt ein Transport zum langen Ende der Modulation. Diese Ergebnisse stimmen mit theoretischen Simulationen überein, die zudem vorhersagen, dass die Transportrichtung auch stark vom Teilchendurchmesser abhängt.
Das neue Verfahren ermöglicht durch den gleichzeitigen millionenfach parallelen Betrieb, winzige Partikel in relativ großer Zahl und vertretbarer Zeit zu sortieren. Die Max-Planck-Forscher sind überzeugt, dass dieses Verfahren es ermöglicht, auch empfindliche biologische Objekte, wie Viren oder Zellfragmente, auf kleinstem Raum voneinander zu trennen. Im Vergleich zu den weitverbreiteten Elektrophorese-Trenn-Techniken arbeitet das neue Verfahren potentiell schneller und kann zudem wiederverwendet werden. Die Teilchen verbleiben in Lösung, im Gegensatz zu den für die Elektrophorese erforderlichen Gel- oder Polymerlösungen. Gerade im Bereich von 0,1 bis 1 Mikrometer hat das Verfahren eine sehr hohe Auflösung.
Ein großer Vorteil des neuen Verfahrens ist die Möglichkeit, es mehrstufig und massiv parallel zu betreiben, was eine sehr effiziente Trennung und einen sehr großen Durchsatz erwarten lassen. Darüber hinaus können damit kontinuierlich Objekte transportiert werden, die deutlich kleiner sind als der Durchmesser der Millionen Filterlöcher. Damit wird ein Verstopfen unwahrscheinlich. Zudem kann über die Steuerung der Amplitude der Oszillation von außen definiert werden, welche Teilchen den Filter passieren.
Aufgrund der weit entwickelten elektronischen und mikromechanischen Technik zur Silziumverarbeitung gehen die Forscher davon aus, dass sich die neue Technik in Lab on a Chip- Systeme integrieren lässt. Wegen der winzigen Dimensionen dieser Systeme ist der Einfluss des thermischen Rauschens unbestritten. In solchen hoch-integrierten Systemen kann das neue Verfahren seine Vorteile voll entfalten, weil langsame Diffusionprozesse nicht mehr behindert und die Geschwindigkeit und Empfindlichkeit derartiger Komponenten beträchtlich erhöht werden könnte.