Die elektronische Geisterhand
Billige, vielseitige Schalter aus ultradünnen Molekülschichten
Eine Reihe von Reisekoffern steht auf dem Gepäckband. An einer Weiche trennen sich die Gepäckstücke: Wie von Geisterhand gesteuert, nimmt jeder Koffer den richtigen Weg zu "seinem" Flugzeug, ohne dass ihn ein Flughafenangestellter von Hand auf die richtige Bahn bringen müsste. Auf jedem Gepäckstück klebt ein intelligentes Etikett, das an der Weiche auf ein externes elektronisches Signal reagiert, indem es eine auf ihm gespeicherte Nummer zurücksendet - zum Beispiel die "3" für New York. Unrealisierbare Science-Fiction-Technik? "Das wird kommen", ist der Grenzflächenforscher Professor Dr. Moritz Sokolowski vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn überzeugt. "Es wird erwartet, dass sich solche extrem dünnen intelligenten Etiketten, ausgerüstet mit einer Antenne und Hunderten OFETs, früher oder später schon für nur einen Dollar herstellen lassen. Und man kann sie nach dem Urlaub problemlos wegwerfen, da sie organisch sind."
Ein Molekül allein verhält sich nicht wie viele Moleküle zusammen. Für manche technologische Anwendungen sind Molekülverbände erforderlich. Sie können, wie beispielsweise bei den OFETs, elektrische Ladungsträger transportieren und sozusagen den Strom schalten. "Dabei sind diese Molekülverbände hoch effizient, so dass sie ihre Fähigkeiten schon in relativ dünnen Schichten entfalten", erklärt Professor Sokolowski. Solche organischen Filme haben eine Dicke von 100 Nanometern, sind also rund 1000mal dünner als ein Haar. "Der Traum bei den OFETs ist ein organischer Film, der ganz ohne Verlust den Strom leitet. Das wäre der optimale Schalter", sagt Professor Sokolowski. In der Regel treten aber solche Verluste auf. Wie kann man den Ladungstransport über solche Molekülschichten optimieren?
"Für einen optimalen Schalter ist die Ordnung der Moleküle innerhalb der Schichten entscheidend dafür, wie wenig Verlust wir tatsächlich haben", sagt Professor Sokolowski: Der organische Film darf möglichst keine Störung in der Molekülordnung haben, damit der Strom verlustfrei fließen kann. Die räumliche Anordnung der organischen Moleküle hängt nun unter anderem stark vom Träger ab, auf den ein solcher organischer Film aufgebracht ist. "Die Moleküle spüren die Ordnung der Unterlage", sagt Professor Sokolowski. Über solche Effekte der Trägeroberfläche, so genannte Grenzflächeneinflüsse, ist bisher aber sehr wenig bekannt. Die Bonner Forscher schauen sich also mit Hilfe moderner Methoden der Strukturuntersuchung genau an, wie sich die Moleküle auf bestimmten Oberflächen anordnen.
Ein OFET ist wie ein Sandwich aufgebaut. Der organische Halbleiter, der auf einem Träger sitzt, hat zusätzlich eine Isolatorschicht mit Elektroden auf dem Kopf. Der organische Film besitzt also oben und unten Grenzflächen zu einem anderen Material. "Die chemischen und elektronischen Verhältnisse an diesen Grenzflächen beeinflussen so ein Bauelement enorm in seiner Effizienz und Stabilität", erklärt Sokolowski. "Die Geschwindigkeit der Ladungsträger erhöht sich um viele Zehnerpotenzen, wenn wir zum geordneten Zustand übergehen. Das treibt uns hier an", sagt Professor Sokolowski.
Mit ähnlichen Fragestellungen haben sich die Bonner Forscher auch bei den organischen Leuchtdioden OLEDs, in denen Farbstoffschichten durch Strom angeregt in einer Farbe leuchten, beschäftigt. Diese haben bereits den Beweis angetreten, dass solche Bauelemente schnell den Weg von ihrer Entdeckung bis zur Marktreife schaffen. So begegnen wir ihnen täglich in den Displays von Autoradios und Handys. Die Industrie, unter anderem Philips, arbeitet jetzt auch schon an der Marktfähigkeit von OFETs. Es ist also vermutlich nur noch eine Frage der Zeit, bis wir unseren vollbepackten Einkaufswagen einfach durch die Kasse schieben, die dabei jeden Preis automatisch einliest und addiert. Schlechte Karten auch für Diebe: Eingedruckt in Kleidungslabel, könnten OFETs künftig auch bei der Diebstahlsicherung im Kaufhaus helfen.
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