Atomare Struktur ultradünner Aluminiumoxydschichten entschlüsselt
Ultradünne Schichten aus Aluminiumoxyd erzeugt man durch thermische Oxidation eines Nickelaluminium-Einkristalls einer bestimmten Orientierung Die Schichten bestehen aus lediglich zwei Atomlagen Sauerstoff- und Aluminiumionen, die gegenüber der Volumenstruktur eine stark verzerrte Konstellation einnehmen: Die Schicht wird durch das Substrat stark verzerrt, ähnlich einem Strickmuster, an dem man zieht. Trotz jahrelanger intensiver Forschungen war man bisher nicht in der Lage, die atomare Struktur dieser ultradünnen Schichten sowie ihre Bindung auf Metallunterlagen (Substrat) zu entschlüsseln. Doch erst diese Kenntnisse ermöglichen es, auf ihre Eigenschaften und speziell auf ihr Haftungsverhalten auf einer (metallischen) Unterlage zu schließen.
Vier Jahre lang haben die Forscher des Max-Planck-Instituts für Metallforschung an der Entschlüsselung dieser Struktur gearbeitet. Das war deshalb so schwierig, weil es für Aluminiumoxyd mehr als ein Dutzend mögliche Strukturvarianten gibt. Die Schichtstruktur zu simulieren, übersteigt die Rechenkapazität selbst der modernsten Rechner. Zudem braucht man weitergehende Informationen, als traditionelle Methoden der Oberflächenanalyse - wie die Rastertunnelmikroskopie oder die Beugung niederenergetischer Elektronen (LEED) - liefern können. Andreas Stierle, einer an der Strukturaufklärung beteiligten Max-Planck-Wissenschaftler, betont: "Nur mit hochbrillanter Synchrotonstrahlung ist man derzeit den Anforderungen gewachsen, derart komplexe Materialstrukturen aufklären zu können. Diese laserartig fokussierte Röntgenstrahlung ermöglicht es, sowohl die Oberfläche und den inneren Aufbaus der Schicht als auch ihre Grenzfläche zur Unterlage zu entschlüsseln."
In aufwändigen Messungen, durchgeführt am Deutschen Elektronensynchrotron (DESY) in Hamburg und an der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle (ESRF) in Grenoble, Frankreich, stellten die Forscher schließlich fest, dass die ultradünnen Schichten eine dem k-Aluminiumoxyd ähnliche Struktur aufweisen. Darüber hinaus zeigte das atomare "Strickmuster" der Schicht, dass einige Sauerstoff-Ionen - wie die Zähne eines "Reißverschlusses" - für eine regelmäßige Kopplung der Schicht auf der Unterlage sorgen. Die Wechselwirkungen der Schicht mit dem Substrat bedingen - in Verbindung mit den verzerrten Lagen - die hohe Stabilität der Aluminiumoxyd-Struktur.
Zudem wurde deutlich, dass so genannte Domänen-Strukturen einen entscheidenden Einfluss auf die funktionellen Eigenschaften solcher Schichten haben und damit künftige Anwendungen wesentlich beeinflussen. Diese Domänen beeinflussen beispielsweise, auf welche Weise Metallpartikel auf der Schichtoberfläche anwachsen können - wichtig zum Beispiel für Träger neuer Katalysatoren oder für die elektronischen Eigenschaften solcher Schichten.
Aus der jetzt aufgeklärten Struktur können Materialwissenschaftler und -entwickler von der Natur lernen: Dank der genauen Kenntnis solcher sich selbst organisierender Strukturen dünner Schichten kann man zum einen besser vorhersagen, wie sich solche Schichten in konkreten Anwendungen verhalten und zum anderen Materialien und Strukturen mit gewünschten Eigenschaften gezielter herstellen. Ultradünne Schichten aus Aluminiumoxyd könnten als hochtemperaturbeständige keramische Schichten für den Korrosionsschutz von Metalllegierungen eingesetzt werden, zum Beispiel in neuen Flugzeugturbinen oder in Raketenmotoren. Auch gelten diese Schichten als eines der am erfolgversprechendsten Ausgangssysteme für neue Modellkatalysatoren, die man für eine Chemie ohne unerwünschte oder schädliche Nebenprodukte benötigt. Darüber hinaus bieten ultradünne Schichten aus Aluminiumoxid auch Anwendungspotenzial für neuartige Permanent-Speichersysteme in der Computertechnik.
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