GDCh: Funktionelle Lebensmittel - mehr Schein als Sein?

20.08.2001

Das Ernährungsbewusstsein sowie das Ernährungsverhalten hat sich in den letzten Jahren in der deutschen Bevölkerung deutlich verändert. Während früher der Nährstoffversorgung (Proteine, essenzielle Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe) und möglichen Belastungen der Lebensmittel (Schadstoffe, Rückstände) das Hauptinteresse galt, treten heute andere gesundheitsorientierte Ernährungsweisen immer mehr in den Vordergrund. Sekundäre Inhaltsstoffe werden im Bewusstsein der Verbraucher immer stärker zu wertgebenden Bestandteilen der Nahrung. Diese bioaktiven Minorbestandteile der Lebensmittel sollen präventive Wirkungen entfalten, die das Risiko für bestimmte Krankheiten senken.

Einer Vielzahl von einzelnen Stoffen, aber auch Stoffgruppen mit mehreren tausend Inhaltsstoffen (z. B. Flavonoide) werden zur Zeit in den Medien des öfteren pauschal positive Gesundheitseffekte nachgesagt. Wissenschaftliche Beweise fehlen aber häufig noch. Um sie zu erhalten, wird ein Spektrum von Methodiken genutzt, die je nach Fragestellung allein oder in Kombination angewendet werden müssen. Am Beginn steht die Epidemiologie, die zwar traditionell für den Nachweis krankheitsauslösender Faktoren genutzt wird, aber umgekehrt ebenso gesundheitsfördernde Effekte belegen kann. So liefern wissenschaftlich korrekt durchgeführte epidemiologische Studien wertvolle Hinweise zum Einfluss eines Lebensmittelinhaltsstoffes auf die Senkung eines Erkrankungsrisikos.

Aber auch mit derartigen Studien können biologische Zusammenhänge in der Wirkung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Das erfordert vielmehr Forschungen auf den Gebieten der Biochemie und der Physiologie.

Verzehrsstudien zum sicheren Beweis der Verringerung eines Erkrankungsrisikos sind prinzipiell sehr langwierig, Ergebnisse sollen aber möglichst schnell vorliegen. Ein eleganter Ausweg ist der Nachweis positiver Effekte mit Hilfe von Biomarkern. Das sind körpereigene Stoffe wie beispielsweise Cholesterin, die Krankheiten oder Erkrankungsgefährdungen anzeigen. Die Auswahl geeigneter Biomarker ist häufig schwierig, zudem sollten sicherheitshalber mehrere beobachtet werden. Die Forschungen auf diesem Gebiet stehen erst am Anfang und sollten möglichst rasch intensiviert werden. Biomarker haben nämlich den großen Vorteil, bereits in den einfacheren in-vitro-Versuchen (Modellversuchen) gute Hinweise auf Wirkungen geben zu können. Anschließende in-vivo-Versuche sind jedoch in jedem Fall unerlässlich. Biomarker werden wohl in absehbarer Zeit die klassischen Interventionsstudien nicht völlig ersetzen, aber deren Zahl für einen hinreichenden Nachweis einer gesundheitsfördernden Wirkung reduzieren können.

Ist die positive Wirksamkeit eines Lebensmittelinhaltsstoffes festgestellt, muss für eine konkrete Verzehrsempfehlung noch die notwendige Aufnahmemenge ermittelt werden. Sie ergibt sich aus der Differenz von optimaler Bedarfsdeckung und bisherigem Versorgungszustand durch die übliche Ernährung und ist je nach Alter, Geschlecht und auch besonderen physiologischen Umständen unterschiedlich. Tatsächlich sind gesicherte Daten über die notwendigen Mengen nur für ganz wenige und zumeist klassische Nährstoffe verfügbar. Das liegt vor allem daran, dass Beobachtungen an Bakterien, Zellkulturen oder bei Tierversuchen nicht ausreichen, um für Menschen relevante Aussagen zu machen. Auch auf diesem ernährungswissenschaftlichen Gebiet besteht also dringender Forschungsbedarf.

Bei allen Studien über die Wirksamkeit von Lebensmittelinhaltsstoffen ist stets zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse nur für das Lebensmittel gelten, mit dem der Inhaltsstoff verzehrt wurde. Nicht ein Stoff als solcher ist wirksam, sondern das verzehrte Produkt. Daher sind Ergebnisse von Verzehrsstudien nicht ohne weiteres auf andere Lebensmittel mit dem selben Inhaltsstoff übertragbar.

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