Vollständige Struktur eines Schlüsselproteins ebnet den Weg zu Krebsmedikamenten der nächsten Generation
Forscher der Merck KGaA und des Massachusetts General Hospital haben den jahrelangen Wettlauf um die erste vollständige Aufklärung der Struktur von Integrin avb3 gewonnen, eines der interessantesten Zielmoleküle der aktuellen Pharmaforschung
Dieses Schlüsselprotein spielt bei zahlreichen biologischen Prozessen und Erkrankungen wie Krebs, Osteoporose, Rheuma und Entzündungen eine zentrale Rolle. Die Ergebnisse der Forscherteams, die in Kürze im Wissenschaftsmagazin Science erscheinen, sind aufgrund ihrer Bedeutung heute auf der Science Express Website im Internet (www.scienceexpress.org) vorgestellt worden.
"Zum ersten Male haben wir die vollständige Struktur eines Integrins vor Augen, und sie eröffnet völlig unerwartete Perspektiven, die möglichweise zu neuen innovativen Medikamenten führen können," sagte Dr. Inge Lues. Leiterin der präklinischen Forschung und Entwicklung der Merck KGaA. "Dieser wissenschaftliche Durchbruch ist das Ergebnis unseres klaren Bekenntnisses zu den modernsten Ansätzen der Krebsforschung und der Zusammenarbeit mit den weltweit führenden Wissenschaftlerteams."
"Die genaue Kenntnis der Gestalt dieses Rezeptors wird uns helfen, neue Strategien bei der Bekämpfung wichtiger Krankheiten zu entwickeln," sagte Dr. M. Amin Arnaout, Leiter des Structural Biology Program am MGH. Das Forscherteam des MGH hatte unter der Leitung von Dr. Arnaout seit mehreren Jahren versucht, die präzise dreidimensionale Struktur dieses Integrin-Rezeptors zu entziffern.
Integrine übertragen chemische Signale von der Oberfläche einer Zelle in ihr Inneres und steuern so eine Vielzahl zellulärer Prozesse wie Bindung, Entwicklung, Differenzierung und Überleben. Integrin avb3, für das jetzt die Aufklärung der vollständigen Struktur gelang, ist einer der therapeutisch interessantesten Vertreter dieser Familie.
Integrine in der Krebsforschung So versuchen Forscher bei Merck in einem neuartigen therapeutischen Ansatz, Krebserkrankungen zu bekämpfen, indem sie gezielt Integrine an der Oberfläche von Endothelzellen blockieren. Bestimmte Tumoren aktivieren solche Zellen, um sie zur Ausbildung neuer Blutgefäße zu veranlassen. Mit diesem Trick gelingt es dem Tumor, sich an den Blutkreislauf anzukoppeln, der ihm Nährstoffe für weiteres Wachstum sowie die Chance zur Ausbreitung im Körper bietet.
Dieser Prozess lässt sich durch einen spezifischen Integrin-Inhibitor (Cilengitide) unterbinden. Cilengitide bindet spezifisch an das Integrin, läßt dadurch aktivierte Endothelzellen absterben, was wiederum den Prozess der Neuausbreitung von Blutgefässen und schliesslich das Wachstum und die Ausbreitung des Tumors selbst stoppt.
"Je genauer die Gestalt der bindenden Regionen des Integrins bekannt ist, desto besser sollte es gelingen, spezifische Inhibitoren maßzuschneidern, die zu neuen Medikamenten weiterentwickelt werden könnten," sagte Dr. Simon L. Goodman, dem es gemeinsam mit Dr. Reinhardt Dunker und Dr. Beate Diefenbach bei Merck gelang, das begehrte Integrin auf der Basis von rekombinanter cDNA-Technologie in extrem reiner Form im Gramm-Massstab herzustellen. Erst auf Basis dieser Substanz gelang es den Forschern am MGH, Kristalle in der erforderlichen Qualität zu züchten. Damit gelang schliesslich Ende vergangenen Jahres in Boston die Aufklärung der Struktur von Integrin durch Röntgenkristallographie.
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