Magnetische Quanten auf dem Förderband

03.05.2007

Winzige intensive Magnetfelder lassen sich manipulieren und werden damit für die Datenverarbeitung interessant. Das haben Wissenschaftler um Dr. Carsten Hucho vom Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik herausgefunden. Die Forscher entwickelten eine Methode, mit der sie kleinste magnetische Einheiten verschieben können. Die von ihnen untersuchten so genannten magnetischen Flussquanten spielen eine Rolle bei Überlegungen zu neuen Datenverarbeitungsansätzen, die als "Fluxtronic" bezeichnet werden.

Heute sind es in erster Linie Elektronen, die als Informationsträger in Computern dienen. Bei der Suche nach neuen Rechenmöglichkeiten haben Wissenschaftler die magnetischen Eigenschaften der Elektronen ("Spin") im Blick. Und sie untersuchen den magnetischen Fluss (engl. Flux). "Elektronen sind nicht einfach lokalisierbar, und ihre Spins sind flüchtig", erläutert Carsten Hucho, "das Problem haben wir bei den Flussquanten nicht." Die winzigen Magnetfelder bleiben permanent bestehen. Hucho: "Man kann individuelle Flussquanten über nahezu beliebig lange Zeiträume verfolgen." Bevor jedoch - nach Elektronik und Spintronik - die Fluxtronik in Hardware umgesetzt werden kann, ist noch viel Forschungsarbeit nötig. Hucho sagt: "In unserer Studie ging es zunächst darum, die prinzipielle Handhabbarkeit der Flussquanten zu zeigen." Er fügt hinzu: "Die Ergebnisse sind ein wesentlicher Teil der Doktorarbeit von Fabian Jachmann, der inzwischen in der Industrie arbeitet."

Ziel der Fluxtronik ist es, Information ("bits") über diese magnetischen Elemente zu repräsentieren - Nullen und Einsen als magnetisch Nord und Süd. Anders als in handelsüblichen Festplatten, in denen die magnetische Ausrichtung kleinster Areale genutzt wird, um Daten zu speichern, sind die Flussquanten im Material relativ frei verschiebbar. "Würden Computer auch mit magnetischen Flussquanten rechnen", sagt Carsten Hucho, "dann wäre eine weitaus schnellere Datenverarbeitung als heute möglich."

In bestimmten Typen von Supraleitern ordnet sich das Magnetfeld in Form von quantisierten magnetischen Einheiten an, die sich wie Fäden durch das Material schlängeln. Jeder dieser "Vortex" genannten Fäden trägt dabei die kleinste Menge von magnetischem Fluss - ein Flussquant. Die magnetische Feldstärke ist durch die Anzahl solcher Flussquanten pro Flächeneinheit gegeben. Das heißt dann auch: Je stärker ein von außen angelegtes Magnetfeld auf den Supraleiter einwirkt, desto dichter gepackt sind die Vortices - desto mehr Vortices pro Flächeneinheit stehen zur Verfügung. Solche kleinsten magnetische Einheiten gäben eine hochattraktive Möglichkeit, Daten zu speichern und zu bearbeiten, wenn man die Vortices nach Wunsch anordnen und wieder verschieben könnte. Genau das hat das Team um Carsten Hucho gezeigt.

Bislang war bekannt, dass sich die Flussquanten in Abhängigkeit von der Temperatur und vom angelegten Magnetfeld entweder in einer symmetrischen Struktur anordnen wie ein Kristall oder der mehr oder weniger geordneten Struktur von Störstellen im Supraleiter folgen. Um nun eine frei definierbare Verschiebung der Vortices zu erreichen, ersannen die Forscher einen Trick: Sie beeinflussten magnetische Feldlinien in einem Supraleiter mit Schall, genauer gesagt mit akustischen Oberflächenwellen (englisch: surface acoustic waves, SAW). Der Supraleiter bestand aus einem dünnen Film YBCO auf einem kristallinen Substrat.

Die Forscher zeigten, dass die akustischen Oberflächenwellen in einer bestimmten experimentellen Konstellation die Eigenschaften des Supraleiters an dessen Oberfläche verändern. Es bildet sich eine Streifenstruktur von besser und schlechter supraleitenden Bereichen, die sich mit Schallgeschwindigkeit an der Grenzfläche zwischen supraleitendem Film und tragendem Substrat bewegt. Da sich magnetische Flussquanten bevorzugt in Bereichen mit schwächerer Supraleitung aufhalten, werden diese von der vorbeilaufenden Streifenstruktur mitgenommen - die Vortices bewegen sich in eine durch das Schallfeld vorgegebene Richtung wie auf einem Förderband. Mit fokussiertem Schall lassen sich Hucho zufolge Vortices bündeln, mit einer Kombination von Schallwellen könne man Vortex-Antivortex-Paare erzeugen. "Das eröffnet auch jenseits der Datenverarbeitung Anwendungsfelder", sagt Hucho, "beispielsweise könnten wir uns vorstellen, magnetische Mikropartikel mit zu transportieren." Das ist für die medizinische Analytik ein interessanter Vorgang. Winzige Untersuchungseinheiten auf Chips gibt es bereits. Künftig könnte solch ein "Lab on a Chip" mit einem magnetischen Flussquanten-Förderband ausgestattet werden.

Originalveröffentlichung: Fabian Jachmann, Carsten Hucho: "Transport of magnetic vortices by surface acoustic waves"; Solid State Communications, Ausgabe 142, S.212.

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