Intelligente Gele können wie ein "chemischer Muskel" arbeiten

14.02.2002

Die so genannten intelligenten Gele haben im vergangenen Jahrzehnt zunehmend Beachtung gefunden. Die physikalischen Eigenschaften dieser wasserhaltigen Gele hängen von einem äußeren Reiz ab und können somit leicht kontrolliert werden. Das eröffnete viele Einsatzmöglichkeiten, besonders in der Medizin. Am Institut für Physikalische Chemie der Uni Würzburg werden intelligente Gele erforscht.

Bereits 1975 berichtete der japanische Forscher Tanaka, dass ein ursprünglich transparentes Polyacrylamid-Gel beim Abkühlen undurchsichtig wurde. Seither wurden diverse Gele gefunden, die auf die Änderung verschiedenster physikalischer und chemischer Parameter mit Veränderungen ihrer Eigenschaften reagieren. Dabei wandeln sich zum Beispiel Aussehen, Volumen oder Struktur des Gels.

Das eröffnet viele Einsatzmöglichkeiten für diese Materialien. Die größte Bedeutung ergibt sich in der Medizin: Hier könnten intelligente Gele dazu dienen, gezielt pharmazeutische Wirkstoffe freizusetzen. Dabei kann das Gel selbst als Reservoir für Wirkstoffe eingesetzt werden, es kann aber auch dem kontrollierten Verschluss von Poren eines Reservoirs dienen. Es ist bereits ein Gel bekannt, das auf die Glucosekonzentration reagiert und das somit grundsätzlich zur kontrollierten Freisetzung von Insulin im Körper des Menschen benutzt werden könnte.

Die Arbeitsgruppe von PD Dr. Arno Münster am Würzburger Institut für Physikalische Chemie verfolgt den Ansatz, die Palette der intelligenten Gele um solche zu erweitern, die auch auf interne Reize reagieren. In früheren, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Arbeiten hat die Arbeitsgruppe die Musterbildung bei der Entstehung eines Polyacrylamid-Gels in Gegenwart einer nichtlinearen chemischen Reaktion, des "Methylenblau-Sulfid-Sauerstoff-Oszillators", untersucht. Bei dieser Reaktion beobachtet man stationäre, hoch geordnete Muster der Konzentration des Farbstoffes Methylenblau, die mit einer räumlichen Strukturierung der Geldichte korrespondieren.

Diese Arbeiten haben laut Dr. Münster deutlich gemacht, dass die Eigenschaften des Hydrogels durch eine an die Gelbildung gekoppelte nichtlineare Reaktion gesteuert werden können: "Das bei diesem Prozess entstehende Material gibt sich also selbst eine geordnete, mit bloßem Auge erkennbare Struktur." Im Rahmen eines neuen, ebenfalls von der DFG geförderten Forschungsvorhabens untersuchen die Würzburger Wissenschaftler nun Volumenänderungen, die durch eine wellenförmig durch das Gel verlaufende Veränderung der Säureverhältnisse, eine so genannte chemische pH-Welle, ausgelöst werden.

Solche pH-Wellen können in einer Gelschicht von etwa einem Millimeter Dicke durch den Einschluss chemischer Stoffe erzeugt werden. Dank ihrer vergleichsweise langsamen Wanderungsgeschwindigkeit kann der Frontbereich der Wellen beobachtet werden.

Der Arbeitsgruppe von Dr. Münster ist die Herstellung eines Gels gelungen, das ähnlich wie ein Muskel chemische in mechanische Energie umwandeln kann. Angetrieben wird dieser "chemische Muskel" durch die im Gel ablaufenden Reaktionen. An der Front der pH-Welle ändert sich der pH-Wert um bis zu drei Einheiten. Das beeinflusst letzten Endes die Schwellfähigkeit und das Volumen des Gels, weil dessen Netzwerk funktionelle Gruppen besitzt, die in einem bestimmten pH-Bereich ein Proton aufnehmen und damit die Geleigenschaften verändern. Dadurch lässt sich eine "Stufe" von 50 Mikrometern bis 0,5 Millimetern Höhe beobachten, die über die Geloberfläche wandert.

Die pH-Welle kann wiederum von außen durch elektrische Felder kontrolliert werden. Dabei beschleunigt oder verlangsamt das Feld die Bewegung der mechanischen Welle. "Allerdings ist der Effekt des elektrischen Feldes nicht trivial. Vielmehr kann es zu einem komplexen Verhalten kommen, zum Beispiel zu raum-zeitlichen Oszillationen", so Dr. Münster. Ein wesentliches Anliegen des neuen DFG-Projektes sei es daher, diese komplexen Phänomene besser zu verstehen.

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