Leuna wirbt um weitere Fachkräfte und Investoren
(dpa) - In schwindelerregender Höhe auf dem Dach des Kraftwerkes ist der Wandel des Chemiestandortes Leuna auf den ersten Blick zu sehen: Wo einst marode Anlagen standen, sind heute rund 100 moderne Betriebe namhafter Investoren aus dem In- und Ausland auszumachen. Vom deutschen Gaseproduzent Linde AG über den belgischen Kunststoffhersteller Domo bis zur Raffinerie des französischen Total- Konzerns. 9000 Menschen arbeiten hier, viele davon in kleinen und mittleren Firmen, die sich zum Teil nach der Wende aus dem ehemaligen Leuna-Kombinat ausgegründet hatten.
«Es ist hier sehr viel getan worden, aber es ist noch nicht alles erledigt, wir müssen weiter investieren», betont Andreas Hiltermann, Geschäftsführer der Standortgesellschaft InfraLeuna GmbH (Leuna/Saalekreis), mit Blick auf das 13 Quadratkilometer umfassende Industriegelände, das etwa so groß wie 1820 Fußballfelder ist. «Wir brauchen noch etwa drei bis fünf Milliarden Euro, um hier die Industriedichte vergleichbarer westlicher Standorte zu haben», sagt der Manager, der weltweit auf der Suche nach weiteren Investoren ist. Dafür brauche Leuna noch öffentliche Unterstützung.
«Denn es macht Sinn, dort zu investieren, wo schon was ist», sagt Hiltermann über den Standort, dessen Firmen einen Jahresumsatz von zusammen rund 7,5 Milliarden Euro erwirtschaften. Nach Angaben des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) war 2007 der Umsatz der Branche in den fünf neuen Ländern und Berlin um 16,2 Prozent auf die Rekordmarke von 18 Milliarden Euro gestiegen. Damit wurde die Zuwachsrate für ganz Deutschland von 7,1 Prozent erneut übertroffen. Die Beschäftigtenzahl im Osten stieg um 5,1 Prozent auf 49 700.
Der Standort Leuna zählt zu den wichtigsten Wirtschaftsregionen Sachsen-Anhalts und hat eine lange Tradition. 1916 gegründet, wurde er mit bahnbrechenden Entwicklungen in der chemischen Industrie bekannt. Dazu zählen die Hydrierung von Braunkohle zur Herstellung synthetischer Treibstoffe und, zur Freude der Damenwelt, die Synthese von Caprolactam zur Herstellung der Textilie Perlon. Mit der Wende 1990 begann auch für Leuna ein neues Kapitel. Zu viele Arbeitskräfte - im Chemiekombinat Leuna waren 30 000 Menschen beschäftigt - und veraltete, umweltbelastende Produktionsmethoden machten einen Neuanfang notwendig.
Sorgen bereitet den Firmen in Leuna derzeit der Fachkräftemangel. «Um junge Leute zu gewinnen, bieten wir ihnen Dienstleistungen an, sagt Hiltermann. So gebe es ein Servicebüro, das hilft, den Spagat zwischen Beruf, Kinderbetreuung und Familie zu meistern. «Im Gegensatz zu früher gibt es heute in der ostdeutschen Chemie moderne Arbeitsplätze mit Aufstiegschancen», sagte Leuna-Betriebsratschef Joachim Nowak. Dazu zählen neuentstehende Unternehmen. Laut Hiltermann stehen derzeit in Leuna Investitionen im Volumen von rund 500 Millionen Euro an. Dazu gehöre der rund 200 Millionen Euro teure Bau einer Fabrik zur Produktion von Kunststoffen der irischen Quinn- Gruppe mit rund 100 Arbeitsplätzen, die 2010 in Betrieb gehen soll.
Rund 5,5 Milliarden Euro wurden laut Hiltermann seit 1990 am Standort Leuna investiert. «Ein Drittel davon waren Fördermittel», sagt er. Leuna konnte von der Treuhand nicht als Ganzes verkauft werden, es entstand stattdessen einer der ersten Chemieparks in Europa in der Nähe zu osteuropäischen Wachstumsmärkten. Im Vergleich zu klassischen Chemiestandorten arbeiten in einem Chemiepark Ansiedler im Verbund. Das heißt die Standortgesellschaft (InfraLeuna) bietet Dienstleistungen - von der Energie- und Wasserver- sowie - entsorgung bis zum Werksschutz - an.
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