Superharte Phase von Bor entdeckt
Ein Forschungsteam mit Beteiligung der ETH Zürich hat eine Form des Elementes Bor gefunden, die nach Lehrbuch gar nicht existieren dürfte: einen ionischen Kristall
ETH Zürich
Hoher Druck führt zu neuer Form
Für die Synthese der neuen Form brauchte man äußerst reines Bor. Das verwendete Material enthielt maximal ein fremdes Atom auf eine Million Bor-Atome. Das Material wurde einem Druck von 12-30 Gigapascal und Temperaturen von über 1500 Grad Celsius ausgesetzt. Zum Vergleich: Um aus Graphit einen künstlichen Diamant herzustellen, benötigt man einen Druck von 6 Gigapascal. Liegt der Druck unter 19 Gigapascal, bilden die Bor-Atome eine Kristallstruktur, in welcher jeweils zwölf Atome zu einem Ikosaeder (einem Körper bestehend aus zwanzig gleichseitigen Dreiecken) angeordnet sind. Ein höherer Druck zwingt die Atome jedoch dazu, eine dichtere Anordnung einzunehmen. Welche Struktur dies ist, liess sich aber experimentell nicht klären.
Der Kristallograph Artem Oganov hat während seiner Zeit am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich eine Methode entwickelt, die Strukturen chemischer Elemente mit Hilfe von Computersimulationen vorherzubestimmen. Seine Berechnungen zeigten: Bei einem Druck zwischen 19 und 89 Gigapascal bilden die Bor-Atome zwei unterschiedliche Formen, sogenannte Nanocluster. Einerseits formen sich Ikosaeder aus zwölf Atomen, andererseits Hanteln aus zwei Atomen. Die beiden Nanocluster sind im Kristall angeordnet wie beispielsweise die Natrium- und Chloratome im Kochsalz.
Superharte Struktur
Weitere Experimente zeigten, dass es sich bei der neuen Struktur, welche die Forscher gamma-B nennen, um einen superharten Kristall handelt. Zudem entdeckten Theoretiker eine aussergewöhnliche Eigenschaft des Materials: Das Element im Kristall ist ionisiert, die Ladungen sind also ungleich zwischen den Atomen verteilt. Nach Lehrbuch dürfte eine Ionisierung nur zwischen zwei unterschiedlichen Elementen vorkommen, etwa zwischen Natrium und Chlorid im Kochsalz. In der neu entdeckten Bor-Struktur findet die Ionisierung jedoch zwischen den zwei Arten von Nanoclustern desselben Elements statt.
Oganov und seine Kollegen berechneten weiter, dass auch andere Elemente - etwa gewisse Kohlenstoffstrukturen - ionische Zustände einnehmen könnten. Oganov, der nun Professor an der Stony Brook University in den USA ist, erwartet, dass früher oder später Anwendungen auf Basis ionischer Elemente entwickelt werden. Denn die Eigenschaften eines Elements ändern sich, wenn es ionisch wird, es kann zum Beispiel Infrarot-absorbierend werden. So wäre ein Material denkbar, das nur teilweise absorbierend ist oder dessen Absorbtionsfähigkeit von der Temperatur abhängt. Zudem könnten sich interessante Effekte im Zusammenhang mit Supraleitung ergeben.
Originalveröffentlichung: Oganov A. R. et al.; "Ionic high-pressure form of elemental boron"; Nature 2009