Weltpremiere: Neue Kieler Technologie zur Ozeanbeobachtung erfolgreich im Einsatz

15.06.2009 - Deutschland

Wissenschaftlern und Technikern des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) ist es erstmals gelungen, ein hochseetaugliches System zur Simulation von Umweltveränderungen im Meer erfolgreich einzusetzen. Die sogenannten Mesokosmen (zu Deutsch: mittelgroße Welten) funktionieren wie 20 Meter lange Reagenzgläser, in denen unter naturnahen Bedingungen der Ozean der Zukunft simuliert werden kann. In sechs dieser "mittelgroßen Welten", die je bis zu 60 Kubikmeter Meerwasser fassen, untersuchten die Wissenschaftler jetzt bei der Beobachtungsstation Booknis Eck die Auswirkungen der Meeresversauerung.

Ulf Riebesell, IFM-GEOMAR

Die in Kiel entwickelten "Mesokosmen" im Einsatz vor Booknis Eck.

Über der Wasseroberfläche wirken sie fast unscheinbar: sechs senkrechte orange Stangen, verbunden mit einem transparenten Kunststoffdach. Die wahren Ausmaße offenbaren die Gestelle, die in den vergangenen Wochen in der Ostsee bei Booknis Eck zu sehen waren, jedoch erst unter Wasser. Dort ist ein 20 Meter langer, flexibler Kunststoffschlauch zwischen den orangen Schwimmern befestigt. In ihm können Wissenschaftler 60 Kubikmeter Meerwasser mit natürlicher Schichtung, Temperatur, Flora und Fauna isolieren. In dem so gewonnenen Riesen-Reagenzglas können dann unter kontrollierten und doch naturnahen Bedingungen die Auswirkungen verschiedener Umweltveränderungen auf das Meer beobachtet werden. "Der Eintrag von Nährstoffen oder die Zunahme der Kohlendioxidkonzentration - all das haben wir bisher vor allem in größeren oder kleineren Tanks im Labor untersucht. Mit den neuen Mesokosmen können wir diese Entwicklungen endlich auch im freien Meer simulieren, um die Auswirkungen auf komplexe Lebensgemeinschaften besser abschätzen zu können", sagt Projektleiter Prof. Ulf Riebesell vom IFM-GEOMAR.

Beim ersten Einsatz der am IFM-GEOMAR entwickelten Mesokosmen stand die Ozeanversauerung im Fokus der Wissenschaftler. "Das Meer nimmt gut ein Drittel des von Menschen produzierten Kohlendioxids auf. Dadurch sinkt der pH-Wert, das Meer wird sauerer", sagt Prof. Riebesell. Dieser Vorgang wird von vielen Meeresforschern als genauso gefährlich wie die Ozeanerwärmung angesehen. "Jetzt wollen wir wissen, wie sich die Versauerung genau auf die Lebensgemeinschaften im Meer auswirkt", erklärt Riebesell. Für eine abschließende Beurteilung der Versuche bei Booknis Eck sei es zwar noch zu früh, so Riebesell weiter, "aber eins ist schon klar: Dank der neuen Technik konnten wir eine Flut neuer Daten gewinnen". Die umfangreiche Studie wurde zusammen mit Partnern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven, des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde und des Leibniz Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin sowie 19 Kieler Studenten der Meereskunde durchgeführt. Sie ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Verbundprojektes SOPRAN (Surface Ocean Processes in the Anthropocene), über das auch ein Teil der Entwicklungskosten des weltweit einmaligen Beobachtungssystems "Mesokosmen" getragen wurde. Ausländische Interessenten aus den USA und Großbritannien haben bereits Interesse an der Kieler Technologie bekundet.

Der Einsatz in der Ostsee diente den Kieler Forschern als Generalprobe für ein im Frühjahr 2010 geplantes Großprojekt, das unter Federführung des IFM-GEOMAR und mit Beteiligung von 15 weiteren europäischen Instituten vor Spitzbergen im Rahmen des EU-Projektes EPOCA (European Project on Ocean Acidification) durchgeführt werden soll. Auch bei dieser Studie wird der Einfluss der Ozeanversauerung im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen. Die Förderung weiterer Mesokosmeneinsätze im Rahmen des BMBF Verbundprojektes SOPRAN ist beantragt und steht kurz vor der Entscheidung.

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