Novel Food: Neue Möglichkeiten für neue Lebensmittel

Internationale Fachtagung der Akademie Fresenius diskutierte neue Möglichkeiten der Nanotechnologie und die Anwendungsmöglichkeiten des Klonens von Tieren für die Lebensmittelindustrie

12.01.2010 - Deutschland

Neuartige Lebensmittel („Novel food“) sind für die Branche immer noch Chance und Herausforderung zugleich. Den vielen Möglichkeiten stehen auch viele ungeklärte Fragen und ein Dschungel an Auflagen und Verordnungen gegenüber. Die „Novel Food Konferenz“ der Akademie Fresenius im Dezember diskutierte die Revision der Europäischen Novel Food-Verordnung und neue Möglichkeiten, die sich der Lebensmittelindustrie durch Nanotechnologie und das Klonen von Tieren bieten könnten.

Grundsätzlich verfügen Bestandteile von Lebensmitteln über Nanostrukturen. So Kommt Frans W. H. Kampers, der an der Universität Wageningen in den Niederlanden Forschungsprojekte in der Bio-Nanotechnologie koordiniert, zu dem Schluss: „Wer neue Funktionalitäten von Lebensmitteln herstellen möchte, muss Modifikationen auf der Nano-Ebene vornehmen.“

Nanotechnologie: Neue Möglichkeiten und neue Kommunikationsaufgaben

Mit künstlich hergestellten Nanopartikeln kann die Lebensmittelindustrie verschiedene Produkteigenschaften verbessern. Supramolekulare Strukturen können unerwünschte Geschmackseigenschaften verhindern, Inhaltsstoffe schützen und die Bioverfügbarkeit der Nährstoffe verbessern und sie besser in den Magen-Darm-Trakt transportieren, wo sie am effektivsten verarbeitet werden können. Frans Kampers ist überzeugt, dass Innovationen auf Nano-Ebene bemerkenswerte Ergebnisse liefern können: „Ein komplexes Verständnis der komplizierten Prozesse auf Mikro- und Nanoebene erlaubt es, Prozesse in der Lebensmittelindustrie umzustrukturieren und neue Produkte zu erzeugen, die wie gewohnt schmecken und anmuten, aber weniger Kalorien enthalten.“ Allerdings weiß Kampers auch, wie heftig die aktuellen Diskussionen über Anwendungen von Nanotechnologien in Medien und Gesellschaft geführt werden. Er betonte die Bedeutung von Kommunikation und Aufklärungsarbeit, die auf eindeutige Definitionen angewiesen ist: „Leider herrscht oft die Ansicht vor, dass Nanotechnologie immer mit Nanopartikeln verbunden sei und sich deshalb die Risiken der Nanopartikel stellvertretend als Risiken der Nanotechnologie gesehen werden. Die Gefahren durch Nanopartikel entstehen aber mit nicht auflösbaren Partikeln aus Metall oder Metalloxid. Diese Partikel werden aber sehr selten in der Lebensmittelproduktion verwendet - aus dem einfachen Grund, dass sie keine Vorteile für den Körper aufzubieten haben.“

Zurzeit sind nach Angaben der Lebensmittelindustrie keine „Nano-Lebensmittel“ auf dem europäischen Markt. Wesentlich unklarer ist, inwiefern Nanotechnologieprozesse in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommt“, wie David Carlander, Scientific Officer an der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Parma, feststellte.

David Carlander berichtete über das Gutachten der EFSA über die potenzielle Gefährdung von Lebens- und Futtermitteln durch Nanotechnologien. Der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA kommt darin zu dem Ergebnis, dass sich die bewährten internationalen Ansätze für die Risikobewertung auch auf technisch hergestellte Nanomaterialien (Engineered Nano Materials, ENM) anwenden lassen. Der Wissenschaftliche Ausschuss gelangt ferner zu der Schlussfolgerung, dass es erforderlich ist, nach einem fallweisen Ansatz vorzugehen, und dass die Risikobewertung spezieller Nanoprodukte angesichts des derzeit beschränkten Datenbestands und des Fehlens validierter Prüfungsmethoden in der Praxis sehr schwierig und mit einem hohen Maß an Unsicherheit verbunden sein könnte.

Den Empfehlungen des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA zufolge sind zusätzliche Forschungsarbeiten und Untersuchungen erforderlich, um die vielen derzeit bestehenden Unsicherheiten und Datenbeschränkungen auszuräumen. Insbesondere wird empfohlen:

a) die Wechselwirkung und Stabilität von ENM in Lebens- und Futtermitteln im Magen-Darm-Trakt und in biologischen Geweben zu untersuchen

b) Routineverfahren für den Nachweis, die Charakterisierung und die quantitative Erfassung von ENM in Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, sowie in Lebens- und Futtermitteln zu entwickeln und zu validieren, und schließlich

c) Prüfmethoden für die Bewertung der Toxizität von ENM (einschließlich Zuverlässigkeit und Sachdienlichkeit der Prüfmethoden) zu entwickeln, zu verbessern und zu validieren.

Tierklonen: Mehr Forschung erforderlich

David Carlander berichtete auch über das wissenschaftliche Gutachten der EFSA über die Auswirkungen des Klonens von Tieren auf Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit.

Beim Klonen von Tieren geht es darum, ein Tier zu erzeugen, welches im Wesentlichen eine Kopie des Ausgangstiers ist. Die hierzu am häufigsten verwendete Methode ist der so genannte somatische Zellkerntransfer (somatic cell nucleus transfer - SCNT). Dabei wird eine genetische Kopie eines Tiers durch Ersetzen des Kerns einer unbefruchteten Eizelle durch einen Zellkern einer Körperzelle (somatischen Zelle) des Tiers erzeugt, um einen Embryo zu erhalten. Der Embryo wird dann in ein Ersatzmuttertier verpflanzt, in dessen Gebärmutter er sich bis zur Geburt entwickelt.

Die EFSA hat im Juli 2008 ein wissenschaftliches Gutachten über die Auswirkungen des Klonens von Tieren auf die Lebensmittelsicherheit, die Tiergesundheit, den Tierschutz und die Umwelt angenommen. Im Jahr 2009 hat die EFSA eine Stellungnahme veröffentlicht, mit dem die im Gutachten von 2008 enthaltenen Empfehlungen ausgeweitet wurden. In der Stellungnahme hat die EFSA bestätigt, dass die Schlussfolgerungen und Empfehlungen aus ihrem Gutachten von 2008 weiterhin Geltung haben. Ferner erklärte die EFSA, dass zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Stellungnahme nicht in ausreichendem Maße Datenmaterial vorlag, um die Frage zu beantworten, ob die gegenwärtigen Erkenntnisse über das Klonen von Rindern und Schweinen auch auf Schafe, Ziegen und Hühner angewendet werden können.

Lebensmittelindustrie fordert einfachere Genehmigungsverfahren

„Neuartige“ Lebensmittel auf den Markt zu bringen ist kompliziert - insbesondere in Europa, wo strenge gesetzliche Regelungen gelten. Seit der Einführung der Novel-Food-Verordnung vor zwölf Jahren haben es nur wenige neuartige Lebensmittel („novel food“) auf den europäischen Markt geschafft. Beate Kettlitz von der Vereinigung der europäischen Lebensmittel- und Getränkehersteller CIAA begrüßte die Revision der Novel Food-Verordnung. Zugleich mahnte sie weitere Verbesserungen an, um die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sicherzustellen. Insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen seien einfachere Prozeduren wichtig, um in Innovationen investieren zu können. Der Katalog der Verbesserungswünsche umfasst unter anderem Sicherstellung des Datenschutzes, genaue Definitionen für Übergangsmechanismen, die für laufende Anträge gelten während neue Verordnungen in Kraft treten sowie die genauere Abstimmung von Novel Food-Verordnung und Health Claims-Verordnung.

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