Hoch statt flach: Nanodrähte für eine neue Chip-Architektur
Sander Münster, Kunstkosmos Dresden
Unzählige Silizium-Transistoren sind auf einem heutigen Mikrochip dafür verantwortlich, Informationen weiterzugeben. Die Transistoren sind in der Ebene, also flach, angeordnet und mittlerweile nur noch rund 50 Nanometer groß. Da einer weiteren Miniaturisierung Grenzen gesetzt sind, wird fieberhaft an neuen Ansätzen gearbeitet. Man stelle sich nun eine ganz neuartige, dreidimensionale Architektur vor: statt flächig oder in Schichten übereinander gestapelt, werden die Silizium-Transistoren einfach um 90 Grad gedreht und in die Höhe gebaut. So könnte man viele Transistoren, die wie winzige Säulen mit Durchmessern von jeweils nur wenigen Nanometer aus dem Mikrochip herausragen, auf der Fläche eines üblichen, flächigen Transistors unterbringen. Damit wäre der Schritt von der Mikro- zur Nanoelektronik endgültig getan.
Nanodrähte aus Kohlenstoff haben mittlerweile in der industriellen Fertigung Einzug gehalten, Drähte aus Silizium hingegen können erst seit kurzem zuverlässig hergestellt werden. Vor ihrem Einsatz müssen sie jedoch noch erforscht werden, denn nur wenn man ihre elektrischen Eigenschaften sehr gut versteht, kann man zuverlässige Transistoren für eine neue Generation von Mikrochips bauen. In solchen Säulen-Transistoren wird der Strom nicht horizontal, sondern vertikal fließen, und sie werden kleiner und energiesparender sein als heute üblich. Nicht zuletzt verspricht man sich von Silizium-Nanodrähten auch hocheffiziente Solarzellen.
Die Max-Planck-Forscher aus Halle stellen einkristalline Nanodrähte aus Silizium her, die besonders gut geeignet sind als Bauteile für Mikrochips. Im Ionenstrahlzentrum des FZD werden in die Drähte Fremdatome implantiert, ein Vorgang, der den Stromfluss im Halbleiter-Material überhaupt erst ermöglicht - und damit auch den Transistor, dessen Funktion es ist, den Strom der elektrischen Ladungsträger zu schalten. Silizium selbst ist zwar hervorragend erforscht, doch gilt dies nicht, wenn man sich auf die Nanometer-Ebene begibt. "Wir haben zunächst Drähte untersucht, die einen Durchmesser von rund 100 Nanometer haben und 300 Nanometer lang sind. Das Ziel richtet sich jedoch auf Drähte, die nur wenige Atome dick sind bis hin zu einem Draht, wo sich nur noch einzelne Atome aneinander reihen. Deren Materialverhalten wollen wir dann genau charakterisieren um herauszufinden, wie man ihre elektrischen Eigenschaften für den Einsatz in der Nanoelektronik maßschneidern kann, z.B. für neuartige Feldeffekt-Transistoren.", so der FZD-Physiker Dr. Reinhard Kögler.
Was die Wissenschaftler bisher gefunden haben: die implantierten Fremdatome - es handelt sich um für die Mikroelektronik typische Sorten wie Bor oder Phosphor - bleiben nicht an Ort und Stelle, sondern wandern zum Rand des Nanodrahtes, also zur Oberfläche hin. Dort werden sie teilweise inaktiv und können dann nicht mehr zur Leitfähigkeit beitragen. Bisher jedoch fehlte eine geeignete Messmethode, um die Auswirkungen der ungleichen Verteilung der implantierten Atome zu bestimmen. Sollen also zukünftig Nanodrähte als Säulen-Transistoren zum Einsatz kommen, so müssen die Entwickler diese - und weitere - Erkenntnisse sorgfältig berücksichtigen.
Die Nanodrähte wurden in Rossendorf mit einer speziell hierfür abgewandelten Untersuchungsmethode (Scanning Spreading Resistance Microscopy, SSRM) untersucht. Diese Methode erlaubt es zugleich, während der Messungen die Nanodrähte der Länge nach Schicht für Schicht abzutragen und so quasi dreidimensionale Messungen durchzuführen. So erhalten die Wissenschaftler 3D-Bilder von der Leitfähigkeit in einem Nanodraht, der am Ende nur so dick ist wie der 25.000ste Teil eines menschlichen Haares.
Originalveröffentlichung: Xin Ou et al.; "Carrier Profiling of Individual Si Nanowires by Scanning Spreading Resistance Microscopy"; Nano Letters 2010,10,171-175