Supraleiter verdienen sich ihre Streifen
Das Verständnis der Hochtemperatur-Supraleitung (high Tc) ist seit ihrer Entdeckung in Kupferoxidverbindungen im Jahr 1986 eine ungelöste Herausforderung. Um sie zu bewältigen, müssen die physikalischen Phasen in der Nähe der Supraleitung erforscht werden – typischerweise bei Temperaturen oberhalb von Tc oder bei geringeren Dotierungen, als zur Entwicklung dieses Zustands erforderlich sind.
Jetzt hat ein Team unter der Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik (MPSD) in Hamburg erstmals einen verdeckten supraleitenden Zustand oberhalb der supraleitenden Übergangstemperatur Tc nachgewiesen. Solch ein Zustand bleibt für die meisten experimentellen Proben unsichtbar und ist daher schwer zu beobachten.
Rajasekaran und seine Mitarbeiter nutzten neuartige Terahertz-Techniken, um einen streifenförmigen Supraleitungszustand oberhalb der supraleitenden Übergangstemperatur in einer Kupratverbindung nachzuweisen. Dieser Zustand entsteht, weil sich die supraleitende Flüssigkeit, welche den widerstandslosen Strom trägt, nicht homogen verteilt. In dem untersuchten System bilden sich stattdessen eindimensionale Flüsse, welche entlang der Kristallaxis um 90˚ rotiert sind.
Supraleitung, oder der verlustfreie Transport von Elektrizität, wurde zuerst in Metallen beobachtet, die fast bis auf den absoluten Nullpunkt gekühlt wurden (~ -270 Grad Celsius). In den letzten Jahrzehnten wurden neue, meist keramische, Werkstoffe wie z. B. dotierte Kupferoxide (Kuprate) entdeckt. In ihnen tritt Supraleitung bei wesentlich höheren Temperaturen (Tc ~ -150 Grad Celsius) auf. Der Mechanismus, auf dem diese Hochtemperatur-Supraleitung basiert, bleibt jedoch bis heute ein Rätsel.
Gekühlte Kuprate entwickeln nicht nur einen supraleitenden Zustand, sondern auch andere Phasen, die mit der ausgebildeten supraleitenden Flüssigkeit wechselwirken. Besonders bemerkenswert ist ein mit dem Supraleiter verflochtener Zustand, bei dem die Flüssigkeit räumlich moduliert und nicht homogen angeordnet ist. Obwohl ein gestreifter Supraleiter elektrische Ströme nicht effizient überträgt, kann dieser Zustand genutzt werden, um die kritische Temperatur eines Supraleiters zu erhöhen.
Kuprat-Supraleiter sind Schichtmaterialien mit abwechselnd supraleitenden und isolierenden Ebenen. Die supraleitende Phase wird in jeder Schicht gebildet, und die dreidimensionale Supraleitung wird durch quantenmechanisches Tunneln senkrecht zu den Ebenen ermöglicht.
In einem gestreiften Supraleiter sind die Tunnelströme gleich Null. Das heißt, die Ströme fließen lokal an jedem Punkt im Raum, aber ihre Gesamtsumme verschwindet. Es ist daher schwierig, die Existenz eines gestreiften Supraleiters zu erfassen.
Zur Überwindung dieses Problems verwendeten Rajasekaran, Cavalleri und ihre Mitarbeiter starke Tunnelströme – weit über dem Niveau, welches üblicherweise zum Nachweis eines Supraleiters verwendet wird. In Ihrem Experiment wiesen sie nach, dass der Tunneleffekt auch bei gestreifter Supraleitung nicht mehr gleich Null ist.
Zusammen mit Theoriekollegen aus der Arbeitsgruppe von Ludwig Mathey an der Universität Hamburg haben die Wissenschaftler des MPSD auch eine quantitative Beschreibung der Ergebnisse geliefert, die nun eine solide theoretische Basis haben.
Die Studie bezieht sich weitgehend auf frühere Arbeiten der Cavalleri-Gruppe, die darauf abzielen, verdeckte Supraleitung in komplexen Materialien zu manipulieren. Sie eröffnet neue Wege, um versteckte Ordnungen in vielen anderen Festkörpersystemen zu untersuchen.
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