Licht steuert Zwei-Atom-Rechner

Wissenschaftler realisieren Rechenoperationen mit Quanten-Gattern, die Photonen zwischen zwei in einem Resonator gefangenen Atomen vermitteln

12.02.2018 - Deutschland

Manch ein mächtiger Regierungschef mag von der Möglichkeit träumen, unbemerkt von Freund oder Feind mit seinen Kollegen in anderen Kontinenten Kontakt aufzunehmen. Neue Quantentechnologien könnten solche Wünsche eines Tages Wirklichkeit werden lassen. Denn weltweit arbeiten Physiker an der Realisierung großräumiger Quantennetzwerke, in denen einzelne Lichtquanten (geheime) Quanteninformationen sicher an weit entfernte Stationen übermitteln. Fundamentale Bausteine solcher Netzwerke sind Elemente wie Quanten-Repeater, die dem Verlust der Information über weite Strecken entgegen wirken, oder Quanten-Logikgatter, die für die Verarbeitung von Quanteninformation unerlässlich sind.

MPQ, Abteilung Quantendynamik

Anschauliche Darstellung des experimentellen Aufbaus: Auf einen optischen Resonator, in dem zwei Atome (rote Kügelchen) gefangen sind, treffen von rechts einzelne Photonen (hellrot). Infolge der starken Kopplung der Atome an das Lichtfeld des Resonators vermittelt das Photon eine starke Wechselwirkung zwischen den Atomen, mit deren Hilfe sich Gatter-Operationen realisieren lassen. Im Anschluss an jede Gatter-Operation wird der Zustand der Atome anhand ihrer Fluoreszenz und der Transmission des Resonators bestimmt.

Ein neues Konzept für ein Quanten-Gatter hat jetzt ein Team von Wissenschaftlern um Prof. Gerhard Rempe, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und Leiter der Abteilung Quantendynamik, vorgestellt. Dabei entsteht zwischen zwei in einem Resonator gefangenen Atomen durch von außen eintreffende Lichtquanten (Photonen) eine Wechselwirkung, die sich für die Umsetzung charakteristischer Gatterfunktionen wie z.B. eines CNOT-Gatters oder der Erzeugung von Verschränkung nutzen lässt. Dieses Modell ist aus mehreren Gründen sehr attraktiv: die Gatter-Operationen erfolgen innerhalb weniger Mikrosekunden, was von Vorteil für die Quanteninformationsverarbeitung ist; das Prinzip funktioniert auch auf anderen experimentellen Plattformen, und überdies lässt sich das Gatter auch als Baustein in einem Quanten-Repeater einsetzen.

Kernstück des Experiments (siehe Abbildung) ist ein asymmetrischer Hohlraumresonator, im Fachjargon „Cavity“ genannt, der aus einem hochreflektierenden Spiegel (links) und einem Spiegel mit einer gewissen Durchlässigkeit (rechts) gebildet wird. In seinem Zentrum befinden sich zwei elektrisch neutrale Rubidium-Atome. Jedes Atom ist Träger eines Qubits, d.h. einer Quanteninformation, die in die Überlagerung zweier stabiler Grundzustände (sie entsprechen den klassischen Bits „0“ und „1“) kodiert ist. „Einer der atomaren Grundzustände ist in Resonanz mit dem Lichtfeld der Cavity. Deshalb bilden Atome und Resonator ein stark gekoppeltes System“, betont Stephan Welte, der an dem Experiment im Rahmen seiner Doktorarbeit forscht. „Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Atome miteinander sprechen können – im freien Raum wäre das nicht möglich.“

Zur Ausführung der Gatter-Operation lässt man einzelne Photonen auf den teildurchlässigen Spiegel fallen. Was dann passiert, hängt von den Anfangszuständen der Atome ab. „Wenn sich beide Atome in einem nicht-koppelnden Zustand befinden, kann das Photon in die Cavity eindringen und eine optische Stehwelle zwischen den Spiegeln aufbauen“, erklärt Bastian Hacker, ebenfalls Doktorand am Experiment. „Über dieses Lichtfeld können die Atome miteinander kommunizieren: ist es vorhanden, dann wird die Phase der gespeicherten Qubits um 180 Grad gedreht.“ In allen anderen Fällen, wenn ein oder sogar beide Atome in Resonanz mit den Cavity-Moden sind, wird das Photon abgewiesen, und der Zustand des Gesamtsystems bleibt unverändert.

Mit Hilfe dieser Effekte lassen sich zwischen den beiden Atomen elementare Rechenoperationen (Quanten-Gatter) realisieren. Dies belegen die Garchinger Physiker anhand von zwei charakteristischen Gatterfunktionen. Zum einen zeigen sie, dass ihr Aufbau als typisches C(ontrolled)NOT-Gatter arbeiten kann: dabei bestimmt der Eingangswert des einen (Kontroll)-Qubits, ob das andere (Target)-Qubit seinen Zustand ändert oder nicht. Als Basis für ihre Untersuchungen definieren die Physiker für ihr Zwei-Atom-System vier zueinander orthogonale Zustände, die sie jeweils nach der Gatter-Operation einer Messung unterziehen. Die aus diesen Messergebnissen erstellte Tabelle entspricht der Wahrheitstabelle eines klassischen XOR Gatters.

In einer weiteren Messreihe zeigen die Wissenschaftler, dass sie mit ihrem Aufbau aus zwei anfänglich unabhängigen Atomen einen quantenmechanisch verschränkten Zustand erzeugen können. „Dazu präparieren wir den Anfangszustand der Atome so, dass sich jedes in einer kohärenten Überlagerung aus beiden Grundzuständen befindet“, führt Stephan Welte aus. „Somit sind auch beide Fälle – dass das Photon in die Cavity gelangt und dass es abgewiesen wird – quantenmechanisch überlagert. Infolgedessen entsteht durch unser Gatter eine Verschränkung zwischen den Atomen.“

„Der Mechanismus, den wir hier verwenden, beinhaltet nur einen physikalischen Schritt und ist damit besonders einfach und elegant. Im Gegensatz zu anderen Gattermechanismen spielt der Abstand der beiden Atome – bei uns zwischen zwei und 12 Mikrometer – keine Rolle“, betont Bastian Hacker. „Das Prinzip lässt sich auch ohne weiteres auf experimentelle Plattformen anwenden, in denen andere Atome, Ionen oder z.B. Festkörper-Quantenpunkte Träger der Quanteninformation sind.“ Prof. Gerhard Rempe hat schon die nächsten Erweiterungen des Systems im Visier. „Wir können uns vorstellen, nicht nur zwei, sondern mehrere Atome in den Resonator einzubringen. Unser Gattermechanismus könnte dann auf vielen Atomen gleichzeitig ausgeführt werden.“ In einem größeren Quantennetzwerk könnten Multiqubit-Knoten als kleine Quantencomputer Rechnungen ausführen, deren Ergebnisse auf Photonen übertragen und an andere Knoten im Netzwerk verschickt werden.

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