„Schweizer Taschenmesser“ für Elektronenstrahlen
Mini-Beschleuniger vereint vier Geräte in einem
DESY, Lucid Berlin
DESY, Gesine Born
Eine der zentralen Eigenschaften des neuartigen Geräts ist die perfekte zeitliche Abstimmung mit dem Elektronenstrahl. Diese beruht darauf, das mit jeweils demselben Laser-Puls sowohl ein Elektronenpaket erzeugt als auch das Gerät betrieben wird. „Wir starten mit einem infraroten Laser-Puls und teilen ihn auf“, erläutert der Hauptautor der Veröffentlichung, Dongfang Zhang aus der CFEL-Gruppe von Franz Kärtner. „Beide Teile werden durch nichtlineare Kristalle geleitet, die die Laser-Wellenlänge verschieben: Für die Erzeugung des Elektronenpakets wird die Wellenlänge des Lasers ins Ultraviolette verkürzt und der Laser auf eine Photokathode geleitet, aus der er die Elektronenpakete herauslöst. Für STEAM wird die Wellenlänge in den Terahertz-Bereich verlängert. Das Timing zwischen beiden Teilen des ursprünglichen Laser-Pulses hängt dabei nur von der Länge des Wegs ab, den sie nehmen, und lässt sich sehr genau einstellen.“
Auf diese Weise können die Wissenschaftler sehr genau kontrollieren, bei welchem Zustand des wechselnden Terahertz-Feldes ein Elektronenpaket im Gerät eintrifft. Je nach der genauen Ankunftszeit führt STEAM dann seine unterschiedlichen Funktionen aus. „Ein Elektronenpaket, das den negativen Teil des elektrischen Terahertz-Feldes triftt, wird beispielsweise beschleunigt“, erläutert Zhang. „Andere Teile des Feldes führen zum Fokussieren oder gezielten Defokussieren des Pakets oder zu einer Komprimierung um ungefähr den Faktor Zehn.“ Komprimierung bedeutet dabei ein Zusammenstauchen des Elektronenpakets in Flugrichtung, während bei der Fokussierung der Durchmesser des Pakets senkrecht zur Flugrichtung schrumpft.
Darüber hinaus ermöglicht STEAM eine Untersuchung der Struktur des Elektronenpakets entlang der Flugrichtung. Dafür wird das Paket seitlich aufgefächert. Wenn das aufegfächerte Paket einen Detektor trifft, entsteht ein Profil entlang der Längsachse des Pakets. Diese Methode heißt Streaking und wird regelmäßig für die Analyse von Elektronenpaketen in Teilchenbeschleunigern eingesetzt. STEAM kann zusätzlich zu seinen drei anderen Funktionen auch Elektronenpakete für das Streaking passend auffächern. „STEAM ist eine Art Schweizer Taschenmesser für Elektronenstrahlen“, sagt Zhang. Um verschiedene Funktionen an demselben Elektronenpaket auszuführen, lassen sich mehrere der Geräte kombinieren.
Der Einsatz von Terahertz-Strahlung ist dabei auch verantwortlich für die kompakte Bauweise des experimentellen Manipulators. „Terahertz-Strahlung hat typischerweise eine hundertmal kleinere Wellenlänge als die Radiofrequenz-Strahlung, die in den großen Teilchenbeschleunigern heute eingesetzt wird. Daher lassen sich alle Strukturen in dem Gerät entsprechend schrumpfen“, erläutert Kärtner, der Leitender Wissenschaftler bei DESY und Professor an der Universität Hamburg ist. Mit nur etwas mehr als zwei Zentimetern Breite passt STEAM bequem in eine Streichholzschachtel. „Und das ist nur das Gehäuse. Die aktiven Strukturen liegen auf der Millimeterskala“, ergänzt Zhang.
Die STEAM-Technologie befindet sich noch in einem experimentellen Stadium. Die Entwickler sehen STEAM als einen ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer künftigen Generation kompakter Terahertz-Elektronenbeschleuniger, die heutige Anlagen ergänzen und ganz neue Anwendungen ermöglichen kann. Der Mini-Manipulator kann aber bereits heute Anwendung finden, Beschleuniger-Forscher rund um den Globus haben bereits Interesse für einen Einsatz zur Untersuchung ihrer Elektronenpakete signalisiert, wie Kärtner betont. „STEAM kann für zukünftige Tisch-Beschleuniger benutzt werden, aber seine verschiedenen Funktionen sind auch für existierende Anlagen interessant.“