Neues Material macht Kältemaschinen energieeffizienter

11.04.2018 - Deutschland

Abwärme aus der Industrie lässt sich aufgrund seiner geringen Temperatur oft nicht weiterverwenden. Ein neues Material ermöglicht ihren Einsatz in umweltfreundlichen Kälteanlagen der Gebäudetechnik. Das Kieler Forschungsteam präsentiert sein Material und die Anwendungsmöglichkeiten auf der Hannover Messe 2018.

Dirk Lenzen

Erste Tests gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme: Mit ihrem neuen Material beschichteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen herkömmlichen Wärmetauscher.

Dirk Lenzen

Die molekulare Gerüststruktur des Materials: In den großen Poren kann es besonders gut Wassermoleküle aufnehmen und wieder abgeben.

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Kälteanlagen gelten als Stromfresser, in denen noch immer umweltschädliche Kältemitteln verwendet werden, auch nach dem Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW). Eine umweltfreundliche Alternative sind Anlagen, die stattdessen mit Wasser arbeiten. Ein Forschungsteam des Instituts für Anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat jetzt gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg ein hochporöses Material entwickelt, mit dem sich diese Kühlanlagen mit geringerem elektrischen Energieaufwand als bisher betreiben lassen. Dafür könnte bislang ungenutzte Abwärme zum Beispiel aus Fernheizungssystemen, Rechenzentren oder Solarthermie eingesetzt werden.

Vor allem Rechenzentren sind wahre Energiefabriken: Gewissermaßen „nebenbei“ produzieren Hochleistungscomputer jede Menge Wärme und müssen deshalb ständig gekühlt werden. So verursachen sie hohe Energie- und Stromkosten, während sie gleichzeitig ihre Abwärme ungenutzt an die Umgebung abgeben – ihre Temperatur ist zu niedrig, um sie anderweitig zu verwenden. Doch theoretisch könnten damit spezielle Kühlanlagen, die Wasser als Kältemittel nutzen (sogenannte Adsorptionskälteanlagen), energieeffizient betrieben werden. Dafür müssten die dort verwendeten Materialien in der Lage sein, viel Wasser aufzunehmen und sich schon bei geringen Temperaturen zu regenerieren.

Umweltfreundliche und ressourcenschonende Kühlung

Diese Voraussetzungen erfüllt das poröse Material, das Professor Norbert Stock vom Institut für Anorganische Chemie mit seiner Arbeitsgruppe entdeckt hat. Damit kann ein Teil solcher Adsorptionskälteanlagen ausschließlich mit der Energie vorhandener Abwärme oder Solarthermie betrieben werden. „Damit ließe sich auch ein wichtiger Beitrag zur Nutzung erneuerbarer Energien leisten“, sagt Stock. Für diesen umweltfreundlichen Anlagetypus eignet sich ihr Material gleich doppelt gut: „Die Anlagen verbrauchen damit einerseits weniger Strom. Andererseits können wir das Material umweltschonend herstellen“, so der Chemiker weiter.

Der Kühleffekt entsteht in diesen Adsorptionskälteanlagen durch das Verdampfen von Wasser, wobei der Umgebung Wärme entzogen wird. Die Wasserdampfmoleküle werden anschließend von einem porösen Material, dem sogenannten Sorptionsmittel, adsorbiert und lagern sich in seinen Hohlräumen an. Es folgt eine Regenerationsphase: Durch die Zufuhr von thermischer Energie lösen sich die Wassermoleküle vom Material, verflüssigen sich und können im nächsten Zyklus wieder verdampfen. Auch das Material ist wieder einsetzbar.

Metall-organische Gerüstverbindungen sorgen für ideale Wechselwirkungen

Als Sorptionsmittel werden in Kältemaschinen normalerweise kristalline Zeolithe oder Silicagele verwendet, die dank ihrer porösen Struktur leicht Wasser aufnehmen können. Das Material des Kieler Forschungsteams weist besonders gute Sorptionseigenschaften auf: Es kann sehr schnell sehr viel Wasser aufnehmen und es bereits bei einer geringen Erhöhung der Temperatur schnell wieder abgeben. Das Material ist also nach kurzer Zeit „getrocknet“ und erneut einsatzbereit. „Möglich macht das die ideale Größe seiner Poren, die für perfekte Wechselwirkungen mit den Wassermolekülen sorgen“, beschreibt Stock das Wirkungsprinzip. Die hochporöse Kristallstruktur des „CAU-10-H“ – so der offizielle Name des Materials, benannt nach Entwicklungsort, Versionsnummer und der Abkürzung von Wasserstoff – ist ein Beispiel für metall-organische Gerüstverbindungen (Englisch: „Metal Organic Frameworks“, MOF). Sie werden seit einigen Jahren intensiv in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen getestet.

Von der Grundlagenforschung in die Anwendung

Das Kieler Forschungsteam arbeitet schon lange an der Entdeckung neuer MOFs, bislang allerdings als reine Grundlagenforschung. Für die industrielle Anwendung beschichteten sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Fraunhofer ISE kommerziell erhältliche Wärmetauscher mit ihrem Material. „Die Vermessung des Wärmetauschers unter anwendungsnahen Bedingungen unterstreicht das hohe Potential dieses Materials“, berichtet Dr. Stefan Henninger vom Fraunhofer ISE. Im Labor lässt sich das Material bereits unter milden Reaktionsbedingungen, also bei 100°C mit Wasser als Lösungsmittel, in Kilogrammmengen herstellen („grüne Synthese“). „Um es für die industrielle Nutzung im größeren Maßstab zu produzieren, wollen wir in einem nächsten Schritt mit Firmen in Kontakt treten“, kündigt Stock an. Ein Patent auf ihre Herstellungsmethode haben die Partner bereits angemeldet.

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