Metalle verbinden ohne Schweißen

24.04.2018 - Deutschland

Schweißen ist noch immer die Standardtechnik, um Metalle miteinander zu verbinden. Doch das aufwändige Verfahren unter hohen Temperaturen ist nicht überall einsetzbar. Eine flexible Alternative zu herkömmlichen Schweiß- und Klebeverfahren hat jetzt ein Forschungsteam der Arbeitsgruppe „Funktionale Nanomaterialien“ der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gemeinsam mit der Kieler Phi-Stone AG entwickelt. Basierend auf einem speziellen Ätzverfahren lassen sich damit Aluminium und Aluminiumlegierungen sowohl miteinander als auch mit Kunststoffen dauerhaft stabil verbinden. Auf der Hannover Messe präsentieren sie den Prototypen einer mobilen Fügestation. Unter Einbeziehung der Kundenseite wollen sie ihn zukünftig in Serienherstellung produzieren.

Foto/Copyright: Mark-Daniel Gerngroß

Unter dem Mikroskop wird die feine Widerhakenstruktur der aufgerauten Metalloberfläche sichtbar. Verschiedene Materialien lassen sich so miteinander „verhaken“ und dauerhaft verbinden.

Beim Schweißen werden Bauteile lokal miteinander verschmolzen. Die dafür nötigen hohen Temperaturen können das Material in der sogenannten Wärmeinflusszone allerdings strukturell verziehen sowie optisch verändern. Auch erfordern sie besondere Sicherheitsvorkehrungen und entsprechend qualifiziertes Personal. Das Verfahren der CAU-Forschungsgruppe um Professor Rainer Adelung schont dagegen nicht nur die zu verbindenden Materialien. Es lässt sich auch einfacher und flexibler anwenden, selbst an schwer zugänglichen Stellen wie in Ecken oder kopfüber an der Decke. Bereits in wenigen Minuten lassen sich so Metalle untereinander, aber auch mit Kunststoffen fest verbinden.

Anwendungsgebiete sieht das Team zum Beispiel im Schiff-, Flugzeug oder Fahrzeugbau. Besonders gut geeignet sei das Verfahren, um Bauteile nachträglich in schon bestehenden Konstruktionen anzubringen, zum Beispiel im Innenraum von Schiffen oder Autos, beschreibt Adelung denkbare Einsatzmöglichkeiten. „Die hohen Temperaturen beim Schweißen können zum Beispiel bereits behandelte und gestrichene Oberflächen zerstören. Unser Verfahren dagegen funktioniert bei Raumtemperatur ohne besondere Schutzvorkehrungen“, sagt Adelung.

Um Metalle verbinden zu können, raut das Kieler Forschungsteam bei seinem „Nanoscale Sculpturing“-Verfahren die Oberfläche mit einem elektrochemischen Ätzverfahren präzise auf, so dass auf Mikrometerebene eine feine, quaderförmige Widerhakenstruktur entsteht. Werden zwei so behandelte Oberflächen mittels Kleber ineinander verhakt, entsteht eine nur sehr schwer lösbare Verbindung.

„Wenn etwas bricht, dann höchstens der Kleber an sich oder das Material selbst, nicht aber die Verbindungsstelle“, betont Ingo Paulowicz, Vorstand der Phi-Stone AG. Adelung ergänzt: „Das Nanoscale Sculpturing-Verfahren eröffnet damit völlig neue Möglichkeiten in der Fügetechnik, aber auch ganz neuartige Werkstoffkombinationen wie Aluminium mit Kupfer oder mit Silikon. Das könnte zum Beispiel für die Medizintechnik interessant sein.“

Um ihr Verbindungsverfahren industriell anwenden zu können, entwickelte das Team der CAU mit der Phi-Stone AG den mobilen und einfach zu bedienenden Prototypen „Metalangelo“. Mit per 3D-Druck individuell herstellbaren Ätzzellen lassen sich Metalloberflächen damit formgenau bei Raumtemperatur bearbeiten. Gemeinsam mit ersten Kunden wollen sie das Produkt abgestimmt auf ihre Anforderungen bis zur Marktreife weiterentwickeln. Zwei Patente dazu sind bereits angemeldet. Der Name des Prototypens betont mit dem Bezug zum Renaissance-Bildhauer Michelangelo das Grundprinzip des neuen Verfahrens: das gezielte Bearbeiten von Oberflächen – im Fall des Kieler Forschungsteams jedoch Metall statt Marmor.

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